Читать онлайн книгу "Wartet"

Wartet
Blake Pierce


»Ein Meisterwerk von Thriller und Mystery! Der Autor hat einen großartigen Job gemacht, Charaktere mit einer psychologischen Seite zu entwickeln, die so gut beschrieben ist, dass wir uns in ihren Köpfen fühlen, ihren Ängsten folgen und ihren Erfolg anfeuern. Die Handlung ist sehr intelligent und wird Sie das ganze Buch hindurch unterhalten. Dieses Buch wird Sie bis zum Ende der letzten Seite wach halten.« - Bücher und Filmkritiken, Roberto Mattos (re Once Gone) WARTET (Das Making of Riley Paige - Buch 2) ist das zweite Buch in einer neuen Psychothriller-Serie der Bestsellerautorin Blake Pierce, deren kostenloser Bestseller VERSCHWUNDEN (Buch 1) über 1.000 Fünf-Sterne-Rezensionen erhalten hat. Die brillante 22-jährige FBI-Praktikantin Riley Paige versucht, die Geheimnisse des sadistischen Serienmörders, der von den Medien als ›Clown-Killer‹ bezeichnet wird, zu entschlüsseln - aber bald wird es allzu persönlich, wenn sie selbst das Ziel im Kampf um ihr Leben ist.Die frischgebackene Hochschulabsolventin Riley Paige wird in das renommierte FBI-Sommerpraktikums-Programm aufgenommen und ist entschlossen, sich einen Namen zu machen. Vielen Abteilungen des FBI unterstellt, denkt sie, dass es ein ruhiger Sommer sein wird - bis ein Serienmörder Washington in Atem hält. Als ›Clown-Killer‹ bezeichnet, kleidet und schminkt er seine Opfer als Clowns und verspottet das FBI mit peinigenden Rätseln in den Medien. Und er überlässt jedem die Frage: Ist er selbst ein Clown?Es scheint, dass nur Rileys Verstand brillant genug ist, um die Antworten zu entschlüsseln. Und doch ist die Reise in den Kopf dieses Killers zu dunkel und der Kampf für Riley zu persönlich, um unversehrt herauszukommen. Kann sie dieses tödliche Katz-und-Maus-Spiel gewinnen?Ein actiongeladener Thriller mit herzzerreißender Spannung, WARTET ist Buch 2 einer fesselnden neuen Serie, die Sie bis spät in die Nacht weiterblättern lässt. Es führt die Leser mehr als 20 Jahre zurück - bis zum Beginn von Rileys Karriere - und ist die perfekte Ergänzung zur Riley Page Krimi Reihe, die bislang 13 Bücher umfasst und fortgesetzt wird.







W A R T E T



(DAS MAKING OF RILEY PAIGE в€’ BUCH 2)



B L A K E P I E R C E


Blake Pierce



Blake Pierce ist die Autorin der Bestseller-Reihe RILEY PAGE, die bislang dreizehn BГјcher umfasst und fortgesetzt wird. Blake Pierce ist auch die Autorin der MACKENZIE WHITE Mystery-Serie, die bislang neun BГјcher umfasst; der AVERY BLACK Mystery-Serie, die sechs BГјcher umfasst; der KERI LOCKE Mystery-Serie, die fГјnf BГјcher umfasst; der MAKING OF RILEY PAIGE Mystery-Serie, die bislang drei BГјcher umfasst; der KATE WISE Mystery-Serie, die bislang zwei BГјcher umfasst und fortgesetzt wird und der CHLOE FINE Psycho-Thriller Serie, die bislang zwei BГјcher umfasst.

Als begeisterte Leserin und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt Blake es, von ihren Lesern zu hören. Bitte besuchen Sie www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com/), um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.



Copyright © 2018 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Deutsche Übersetzung: Anna Grossmann. Außer im Rahmen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln vervielfältigt, verbreitet oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abrufsystem gespeichert werden, ohne die vorherige Genehmigung des Autors. Dieses E-Book ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses E-Book darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte ein zusätzliches Exemplar für jeden Leser. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann schicken Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihr eigenes Exemplar. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Bei diesem Werk handelt es sich um eine Fiktion. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Produkt der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit realen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Buchumschlag Copyright Artem Oleshko, verwendet unter Lizenz von Shutterstock.com.


BГњCHER VON BLAKE PIERCE



CHLOE FINE PSYCHO-THRILLER SERIE

NEBENAN (Buch1)

DIE LГњGE EINES NACHBARN (Buch 2)



KATE WISE MYSTERY-SERIE

WENN SIE WГњSSTE (Buch 1)

WENN SIE SГ„HE (Buch 2)



DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

BEOBACHTET (Buch 1)

WARTET (Buch 2)

LOCKT (Buch 3)



RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

VERSCHWUNDEN (Buch 1)

GEFESSELT (Buch 2)

ERSEHNT (Buch 3)

GEKГ–DERT (Buch 4)

GEJAGT (Buch 5)

VERZEHRT (Buch 6)

VERLASSEN (Buch 7)

ERKALTET (Buch 8)

VERFOLGT (Buch 9)

VERLOREN (Buch 10)

BEGRABEN (Buch 11)

ГњBERFAHREN (Buch 12)

GEFANGEN (Buch 13)

RUHEND (Buch 14)



MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE

BEVOR ER TГ–TET (Buch 1)

BEVOR ER SIEHT (Buch 2)

BEVOR ER BEGEHRT (Buch 3)

BEVOR ER NIMMT (Buch 4)

BEVOR ER BRAUCHT (Buch 5)

EHE ER FГњHLT (Buch 6)

EHE ER SГњNDIGT (Buch 7)

BEVOR ER JAGT (Buch 8)

VORHER PLГњNDERT ER (Buch 9)

BEVOR ER SICH SEHNT (Buch10)



AVERY BLACK MYSTERY-SERIE

DAS MOTIV (Buch 1)

LAUF (Buch 2)

VERBORGEN (Buch 3)

GRГњNDE DER ANGST (Buch 4)

RETTE MICH (Buch 5)

ANGST (Buch 6)



KERI LOCKE MYSTERY-SERIE

EINE SPUR VON TOD (Buch 1)

EINE SPUR VON MORD (Buch 2)

EINE SPUR VON SCHWГ„CHE (Buch 3)

EINE SPUR VON VERBRECHEN (Buch 4)

EINE SPUR VON HOFFNUNG (Buch 5)


INHALT



PROLOG (#ub5f3a23c-892b-5b54-8af8-1bf1f64d68a1)

KAPITEL EINS (#u055fec16-099a-5fac-ac29-057d861cfcde)

KAPITEL ZWEI (#u3e70fc60-ddce-5cab-80c7-5d160bed2f8d)

KAPITEL DREI (#u4ce24929-f420-5aa8-8e6c-935c9e3cbd02)

KAPITEL VIER (#uec9bc719-1332-5755-bb89-29c54001b981)

KAPITEL FГњNF (#ubf374e19-a794-5d04-88e5-e8b36baa6378)

KAPITEL SECHS (#u5c8e483d-4b4f-586e-8f43-559676f3957d)

KAPITEL SIEBEN (#u9c0e3cb3-2434-5533-8f5a-c17bebc2961b)

KAPITEL ACHT (#ue9af558d-8170-5965-9392-da9a67f9c636)

KAPITEL NEUN (#ud0f08cc8-9a78-5445-98d5-e868c0d01794)

KAPITEL ZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ELF (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWГ–LF (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL FГњNFZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL SECHZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHTZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUNZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL EINUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL FГњNFUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL EINUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL FГњNFUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL SECHSUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHTUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUNUNDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL EINUNDVIERZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIUNDVIERZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERUNDVIERZIG (#litres_trial_promo)




PROLOG


Zuerst nahm Janet Davis nichts anderes wahr, als den schrecklichen Schmerz, der ihr durch den Schädel klapperte, wie tausend Kastagnetten, die fern jedes Rhythmus spielen.

Ihre Augen waren geschlossen. Als sie versuchte, sie zu Г¶ffnen, wurde sie von strahlend weiГџem Licht geblendet, und sie musste sie wieder schlieГџen.

Das Licht fГјhlte sich heiГџ auf ihrem Gesicht an.

Wo bin ich? fragte sie sich.

Wo war ich, bevor ... bevor das passiert ist?

Dann fing sie an, sich zu erinnern ...

Sie hatte in den Sümpfen in der Nähe des Lady-Bird-Johnson-Parks Fotos gemacht. Es war bereits zu spät in diesem Sommer, um die Millionen von Narzissen, die dort blühten, zu sehen, aber die Hartriegel-Blätter zeigten sich in einem schönen tiefen Grün, besonders bei Sonnenuntergang.

Sie hatte am Yachthafen gestanden und die Schatten der Boote und das schöne Spiel des Sonnenuntergangs auf dem Wasser fotografiert, als sie Schritte gehört hatte, die sich ihr schnell von hinten näherten. Noch bevor sie sich überhaupt umdrehen konnte, hatte sie einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf gespürt und die Kamera war ihr aus den Händen geflogen, und ...

Ich habe das Bewusstsein verloren, schätze ich.

Aber wo war sie jetzt?

Sie war immer noch zu benommen, um wirklich Angst zu haben. Aber sie wusste, dass die Angst bald einsetzen wГјrde.

Langsam wurde ihr klar, dass sie flach auf dem Rücken auf einer harten Oberfläche lag.

Sie konnte ihre Arme und Beine nicht bewegen. Ihre Hände und Füße fühlten sich durch enge Fesseln um ihre Handgelenke und Knöchel taub an.

Aber das seltsamste GefГјhl waren die Finger auf ihrem ganzen Gesicht, die etwas Weiches und Feuchtes auf ihrer heiГџen Haut verschmierten.

Sie schaffte es, ein paar Worte zu sagen.

В»Wo bin ich? Was machen Sie da?В«

Als keine Antwort kam, drehte sie ihren Kopf und versuchte, der lästigen Bewegung der klebrigen Fingerspitzen zu entkommen.

Sie hörte eine männliche Stimme flüstern ...

В»Halt still.В«

Sie hatte nicht die Absicht, stillzuhalten. Sie drehte sich weiter, bis sich die Finger wegbewegten.

Sie hörte einen lauten, missbilligenden Seufzer. Dann bewegte sich das Licht, sodass es nicht mehr direkt auf ihr Gesicht fiel.

»Öffne deine Augen«, sagte die Stimme.

Das tat sie dann auch.

Vor ihr schimmerte die scharfe Klinge eines Metzgermessers. Die Spitze des Messers kam immer näher an ihr Gesicht heran und ließ die Blickrichtung ihrer Augen sich kreuzen, sodass sie die Klinge doppelt sah.

Janet keuchte und die Stimme flГјsterte wieder ...

В»Halt still.В«

Sie erstarrte, schaute direkt nach oben, aber ein krampfhaftes Entsetzen strömte durch ihren Körper.

Die Stimme zischte wieder einen Befehl.

В»Halt still, habe ich gesagt.В«

Sie zwang ihren Körper, stillzuhalten. Ihre Augen waren offen, aber das Licht war schmerzhaft hell und heiß, und sie konnte nichts Genaues erkennen.

Das Messer verschwand und die Finger setzten ihre Schmiererei fort, diesmal um ihre Lippen herum. Sie knirschte mit den Zähnen und sie konnte tatsächlich hören, wie sie unter schrecklichem Druck aufeinander rieben.

В»Fast fertigВ«, sagte die Stimme.

Trotz der Hitze fing Janet an, aus Angst am ganzen Körper zu zittern.

Die Finger begannen jetzt, um ihre Augen herum zu drГјcken, und sie musste sie wieder schlieГџen, um zu verhindern, dass das, was der Mann da verschmierte, in sie gelangte.

Dann bewegten sich die Finger von ihrem Gesicht weg und sie konnte ihre Augen wieder aufmachen. Jetzt konnte sie die Silhouette eines grotesk geformten Kopfes erkennen, der sich im gleiГџenden Licht bewegte.

Sie fühlte, wie ein verängstigter Schluchzer aus ihrer Kehle drang.

В»Lassen Sie mich gehenВ«, sagte sie. В»Bitte lassen Sie mich gehen.В«

Der Mann sagte nichts. Sie fГјhlte, wie er gerade an ihrem linken Arm herumfummelte, etwas Elastisches um ihren Bizeps schnallte und es dann schmerzhaft festzog.

Janets Panik wuchs und sie versuchte, sich nicht vorzustellen, was passieren wГјrde.

В»NeinВ«, sagte sie. В»Nicht.В«

Sie fГјhlte, wie ein Finger in ihrer Armbeuge herumtastete, dann den stechenden Schmerz einer Nadel, die in eine Arterie eindrang.

Vor Entsetzen und Verzweiflung schrie Janet.

Dann, als sie fГјhlte, wie die Nadel herausgezogen wurde, erfuhr sie eine seltsame Verwandlung.

Ihr Schrei verwandelte sich plötzlich in ...

Lachen!

Ihr Lachen war aufbrausend, unkontrolliert, gefГјllt mit einer verrГјckten Euphorie, die sie noch nie zuvor erlebt hatte.

Sie fühlte sich jetzt absolut unbesiegbar und unendlich stark und mächtig.

Aber als sie wieder versuchte, sich von den Fesseln um ihre Handgelenke und Knöchel zu befreien, rührten sie sich nicht.

Ihr Lachen verwandelte sich in eine Welle wilder Wut.

»Lass mich gehen«, zischte sie. »Lass mich gehen oder ich schwöre bei Gott, ich werde dich töten!«

Der Mann lieГџ ein leises Kichern heraus.

Dann neigte er den Metallschirm der Lampe so, dass ihr Licht auf sein Gesicht fiel.

Es war das Gesicht eines Clowns, weiГџ angemalt mit riesigen, bizarren Augen und Lippen, die mit Schwarz und Rot gezeichnet waren.

Janets Atem erfror in ihrer Lunge.

Der Mann lächelte, seine Zähne waren stumpfgelb im Gegensatz zu dem Rest seines weiß getünchten Gesichts.

Er sagte zu ihr ...

В»Sie werden dich zurГјcklassen.В«

Janet wollte fragen ...

Wer?

Von wem sprichst du?

Und wer bist du?

Warum tust du mir das an?

Aber sie konnte jetzt nicht einmal mehr atmen.

Das Messer blinzelte wieder vor ihrem Gesicht. Dann zog der Mann dessen scharfe Spitze leicht Гјber ihre Wange, die Seite ihres Gesichts und dann Гјber ihren Hals. Mit nur wenig Druck в€’ und Janet wusste, dass die Klinge eine blutige Spur hinterlassen wГјrde.

Ihre Atmung setzte wieder ein, zuerst in flachen AtemzГјgen, dann in riesigen ZГјgen.

Sie wusste, dass sie anfing zu hyperventilieren, aber sie konnte ihre Atmung nicht unter Kontrolle bringen. Sie konnte spüren, wie ihr Herz in ihrer Brust hämmerte, konnte seinen heftigen Puls zwischen ihren Ohren fühlen und hören, wie er immer schneller und lauter wurde.

Sie fragte sich ...

Was war das in der Spritze?

Was auch immer es war, die Wirkung wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Sie konnte dem, was in ihrem eigenen Körper vor sich ging, nicht entkommen.

Während er ihr Gesicht mit der Messerspitze streichelte, murmelte er ...

В»Sie werden dich zurГјcklassen.В«

Sie schaffte es, nach Luft zu schnappen ...

В»Wer? Wer wird mich zurГјcklassen?В«

В»Du weiГџt, werВ«, sagte er.

Janet erkannte, dass sie die Kontrolle Гјber ihre Gedanken verlor. Sie wurde von sinnloser Angst und Panik Гјberflutet, von verrГјckten GefГјhlen der Verfolgung und Opferbereitschaft.

Wenn meinte er?

Bilder von Freunden, Familienmitgliedern und Arbeitskollegen gingen ihr durch den Kopf.

Aber ihr vertrautes, freundliches Lächeln verwandelte sich in ein Hohngelächter voller Verachtung und Hass.

Jeder, dachte sie.

Jeder tut mir das an.

Jede Person, die ich je getroffen habe.

Wieder spГјrte sie eine Welle des Zorns.

Ich hätte es besser wissen sollen, als jemals auch nur einer einzigen Seele zu vertrauen.

Schlimmer noch, sie fГјhlte sich, als ob sich ihre Haut im wahrsten Sinne des Wortes zu bewegen begann.

Nein, etwas kroch Гјber ihre Haut.

Insekten! dachte sie.

Tausende von ihnen!

Sie kämpfte gegen ihre Fesseln.

»Schlage sie von mir runter!«, bettelte sie den Mann an. »Töte sie!«

Der Mann kicherte, während er sie durch sein groteskes Make-up immer wieder anstarrte.

Er machte keine Anstalten, ihr zu helfen.

Er weiГџ etwas, dachte Janet.

Er weiГџ etwas, was ich nicht weiГџ.

Als das Krabbeln andauerte, dämmerte es ihr ...

Die Insekten ...

Sie kriechen nicht auf meiner Haut.

Sie kriechen darunter!

Ihre Atmung wurde immer heftiger und schneller und ihre Lungen brannten, als ob sie schon eine ganze Zeit lang gerannt wäre. Ihr Herz schlug noch schmerzhafter.

Ihr Kopf explodierte mit einer Vielzahl von gewalttätigen Emotionen − Wut, Angst, Ekel, Panik und schierer Verwirrung.

Hatte der Mann Tausende, vielleicht Millionen von Insekten in ihren Blutkreislauf injiziert?

Wie war das überhaupt möglich?

Mit einer Stimme, die sowohl vor Wut als auch vor Selbstmitleid zitterte, fragte sie ...

В»Warum hasst du mich?В«

Der Mann kicherte, diesmal lauter.

Er sagte: В»Jeder hasst dich.В«

Janet hatte jetzt Schwierigkeiten zu sehen. Ihre Sicht wurde nicht unscharf. Stattdessen schien die Szene vor ihr zu zucken und zu hüpfen und zu springen. Sie hatte das Gefühl, dass sie ihre Augäpfel in ihren Höhlen herumrasseln hören konnte.

Als sie ein weiteres Clownsgesicht sah, dachte sie, sie wГјrde doppelt sehen.

Aber sie erkannte schnell, dass ...

Dieses Gesicht ist anders.

Es war mit den gleichen Farben bemalt worden, aber mit etwas anderen Formen.

Das ist er nicht.

Unter der Farbe lagen vertraute Merkmale.

Dann dämmerte es ihr ...

Ich. Das bin ich.

Der Mann hielt ihr einen Spiegel vors Gesicht. Das schrecklich grelle Gesicht, das sie sah, war ihr eigenes.

Der Anblick dieses verzerrten, tränenreichen und doch spöttischen Gesichtsausdrucks erfüllte sie mit einem Abscheu, den sie noch nie zuvor erlebt hatte.

Er hat recht, dachte sie.

Alle hassen mich.

Und ich bin mein eigener schlimmster Feind.

Als ob sie ihren Ekel teilen würde, huschten die Kreaturen unter ihrer Haut herum wie Kakerlaken, die plötzlich dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, aber nirgendwo hinlaufen und sich verstecken konnten.

Der Mann legte den Spiegel beiseite und fing wieder an, ihr Gesicht mit der Messerspitze zu streicheln.

Er sagte noch einmal ...

В»Sie werden dich zurГјcklassen.В«

Als das Messer Гјber ihre Kehle fuhr, fiel es ihr ein ...

Wenn er mich schneidet, können die Insekten entkommen.

Natürlich würde die Klinge sie auch töten. Aber das schien ein kleiner Preis dafür zu sein, um sich von den Insekten und diesem Terror zu befreien.

Sie zischte ...

В»Tu es. Mach es jetzt.В«

Plötzlich füllte sich die Luft mit hässlichem und verzerrtem Gelächter, als ob sich tausende Clowns lautstark und hämisch an ihrer Notlage ergötzen würden.

Das Lachen trieb ihr Herz dazu, noch heftiger und schneller zu schlagen. Janet wusste, dass ihr Herz nicht mehr davon ertragen konnte.

Und sie wollte es auch nicht.

Sie wollte, dass es so schnell wie möglich aufhörte.

Sie versuchte, die Schläge zu zählen ...

Eins, zwei ... drei, vier, fГјnf ... sechs ...

Aber die Herzschläge kamen sowohl schneller als auch weniger regelmäßig.

Sie fragte sich, was zuerst explodieren wГјrde, ihr Herz oder ihr Gehirn?

Dann vernahm sie endlich ihren allerletzten Herzschlag und die Welt löste sich auf.




KAPITEL EINS


Riley lachte, als Ryan ihr die BГјcherkiste wegnahm.

Sie sagte: В»Lass mich einfach etwas tragen, okay?В«

В»Das ist zu schwer fГјr dichВ«, sagte Ryan und trug die Kiste zu dem leeren BГјcherregal. В»Du solltest nichts heben.В«

В»Komm schon, Ryan. Ich bin schwanger, nicht krank.В«

Ryan stellte die Kiste vor das Bücherregal und wischte sich die Hände ab.

В»Du kannst die BГјcher herausnehmen und ins Regal stellenВ«, sagte er.

Riley lachte wieder.

Sie sagte: В»Du meinst, du gibst mir die Erlaubnis, beim Einzug in unsere Wohnung zu helfen?В«

Ryan sah jetzt verlegen aus.

В»Das ist nicht das, was ich meinteВ«, sagte er. В»Es ist nur so в€’ nun, ich mache mir Sorgen.В«

В»Und ich sage dir immer wieder, es gibt keinen Grund zur SorgeВ«, sagte Riley. В»Ich bin erst in der sechsten Woche und fГјhle mich groГџartig.В«

Sie wollte ihren gelegentlichen Anfall von Morgenübelkeit nicht erwähnen. Bislang war es nicht gravierend.

Ryan schГјttelte den Kopf. В»Versuch einfach, es nicht zu Гјbertreiben, okay?В«

В»Werde ich nichtВ«, sagte Riley. В»Ich verspreche es.В«

Ryan nickte und ging zurГјck zu dem Stapel von Kisten, die noch ausgepackt werden mussten.

Riley öffnete den vor ihr liegenden Karton und begann, Bücher in die Regale zu stellen. Eigentlich war sie froh, stillzusitzen und einen einfachen Job zu machen. Sie wurde sich bewusst, dass ihr Verstand die Ruhe mehr brauchte als ihr Körper.

Die letzten Tage waren wie ein Wirbelsturm gewesen.

Eigentlich auch die letzten paar Wochen.

Ihre Graduierung mit einem Abschluss in Psychologie an der Universität Lanton war ein verrückter, lebensverändernder Tag. Gleich nach der Zeremonie hatte ein FBI-Agent sie für das zehnwöchige Honors Internship Sommer-Programm des FBI angeworben. Kurz danach hatte Ryan sie gebeten, bei ihm einzuziehen, wenn er seinen neuen Job begann.

Das Beste daran war, dass sowohl ihr Praktikums-Programm als auch Ryans neuer Job in Washington, D.C. waren. Deshalb hatte sie keine Wahl treffen mГјssen.

Zumindest war er nicht ausgeflippt, als ich ihm sagte, dass ich bereits schwanger bin, dachte sie.

Tatsächlich schien er zu diesem Zeitpunkt sehr erfreut gewesen zu sein. Er war in den Tagen seit dem Abschluss etwas nervöser geworden, was die Vorstellung von einem Baby anging − aber auch Riley fühlte sich deswegen sehr nervös.

Der bloße Gedanke daran verunsicherte sie. Sie begannen gerade erst ihr gemeinsames Leben und sie würden bald die größte Verantwortung teilen, die Riley sich vorstellen konnte − ihr eigenes Kind großzuziehen.

Wir sollten besser bereit sein, dachte Riley.

Sie fГјhlte sich seltsam, als sie ihre alten Psychologie-LehrbГјcher in die Regale stellte. Ryan hatte versucht, sie dazu zu Гјberreden, sie zu verkaufen, und sie wusste, dass sie es wahrscheinlich sollte ...

Um ehrlich zu sein, brauchten wir jeden Cent, den wir bekommen konnten.

Dennoch hatte sie das GefГјhl, dass sie ihre BГјcher in der Zukunft noch brauchen wГјrde. Sie war sich nur nicht sicher, warum oder wofГјr.

Wie auch immer, die Kiste enthielt auch eine Menge von Ryans Jura-Büchern, und er hatte noch nicht einmal in Erwägung gezogen, eines davon zu verkaufen. Natürlich würde er sie wahrscheinlich in seinem neuen Job als Rechtsanwalt in der D.C.-Kanzlei von Parsons and Rittenhouse benötigen.

Als die Kiste leer war und die Bücher alle in den Regalen standen, saß Riley auf dem Boden und beobachtete Ryan, der unermüdlich Möbelstücke schob und neu positionierte, als ob er versuchte, den perfekten Platz für alles zu finden.

Riley unterdrГјckte einen Seufzer ...

Armer Ryan.

Sie wusste, dass er mit dieser Wohnung im Souterrain nicht wirklich zufrieden war. Er hatte eine schönere Wohnung in Lanton gehabt, mit den gleichen Möbeln, die sie hierher mitgebracht hatten − eine angenehme Sammlung von Secondhand-Artikeln im Bohemien-Stil.

Was sie betraf, so sahen Ryans Sachen hier immer noch ziemlich gut aus. Und die kleine Wohnung störte sie überhaupt nicht. Sie hatte sich an ein Wohnheim-Zimmer in Lanton gewöhnt, sodass dieser Ort trotz der verkleideten Rohre, die im Schlafzimmer und der Küche unter der Decke hingen, absolut luxuriös erschien.

Zwar waren die Wohnungen in den Etagen im Obergeschoss viel schöner, aber diese war die einzig verfügbare gewesen. Als Ryan sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er sich fast geweigert, sie zu mieten. Aber um ehrlich zu sein, das war das Beste, was sie sich leisten konnten. Sie waren bereits erheblich verschuldet. Ryan hatte den Rahmen seine Kreditkarte mit den Umzugskosten, der Kaution für die Wohnung und allem anderen, was sie für diese bedeutsame Veränderung in ihrem Leben gebraucht hatten, voll ausgeschöpft.

Dann blickte Ryan plötzlich zu Riley hinüber und sagte: »Was hältst du davon, wenn wir eine Pause machen?«

В»OkayВ«, sagte Riley.

Riley stand vom Boden auf und setzte sich an den KГјchentisch. Ryan holte ein paar Softdrinks aus dem KГјhlschrank und setzte sich zu ihr. Sie schwiegen beide und Riley spГјrte sofort, dass Ryan etwas im Sinn hatte.

SchlieГџlich trommelte Ryan seine Finger auf den Tisch und sagte ...

»Ähm, Riley, wir müssen über etwas reden.«

Das klingt wirklich ernst, dachte sie.

Ryan schwieg wieder und er hatte einen abwesenden Blick in den Augen.

В»Du machst nicht Schluss mit mir, oder?В«, fragte sie.

Sie machte natГјrlich nur SpaГџ.

Aber Ryan lachte nicht. Er schien die Frage kaum bemerkt zu haben.

»Ähm? Nein, es ist nichts dergleichen, es ist ...«

Seine Stimme stockte erneut und Riley fГјhlte sich jetzt wirklich unwohl.

Was ist los? fragte sie sich. Hat das mit Ryans Job nicht geklappt?

Ryan sah Riley in die Augen und sagte ...

В»Lach nicht Гјber mich, okay?В«

В»Warum sollte ich lachen?В«, fragte Riley.

Etwas zitternd stand Ryan von seinem Stuhl auf und kniete sich neben sie.

Und dann begriff Riley ...

Oh, mein Gott! Er wГјrde ihr einen Antrag machen!

Und natürlich musste sie lachen. Sie lachte vor lauter Nervosität.

Ryan errötete zutiefst.

В»Ich habe dir gesagt, du sollst nicht lachenВ«, sagte er.

В»Ich lache nicht Гјber dichВ«, sagte Riley. В»Nur zu, sag, was du sagen willst. Ich bin mir ziemlich sicher ... nun, mach einfach weiter.В«

Ryan fummelte in seiner Hosentasche herum und nahm eine kleine schwarze Schmuckschachtel heraus. Er öffnete sie, um einen schlichten, aber schönen Diamantring zu offenbaren. Riley kam nicht umhin, nach Luft zu schnappen.

Ryan stammelte ...

»Äh, Riley Sweeney, würdest du mich heiraten?«

Riley versuchte erfolglos, ihr nervöses Kichern zurückzuhalten und schaffte es zu sagen ...

В»Oh, ja. Auf jeden Fall.В«

Ryan zog den Ring aus der Schachtel und Riley streckte ihre linke Hand aus und lieГџ ihn sich an den Ringfinger stecken.

»Er ist wunderschön«, sagte Riley. »Jetzt steh auf und setz dich zu mir.«

Ryan lächelte schüchtern, als er sich an den Tisch neben sie setzte.

В»War das Knien zu viel?В«, fragte er.

В»Das Knien war perfektВ«, sagte Riley. В»Alles ist einfach ... perfekt.В«

Sie starrte für einen Moment verzückt auf den kleinen Diamanten auf ihrem Ringfinger. Der Bann ihres nervösen Lachens war verstrichen und jetzt schnürten ihr die Gefühle die Kehle zu.

Das hatte sie wirklich nicht kommen sehen. Sie hatte es nicht einmal gewagt, darauf zu hoffen в€’ zumindest nicht so schnell.

Aber hier waren Ryan und sie und machten einen weiteren groГџen Schritt in ihrem Leben.

Während sie das Lichtspiel auf dem Diamanten beobachtete, sagte Ryan ...

»Ich werde dir irgendwann einen schöneren Ring besorgen.«

Riley schnappte ein wenig nach Luft.

В»Wag es ja nicht!В«, sagte sie. В»Das wird mein einziger Verlobungsring bleiben, fГјr immer!В«

Aber während sie immer wieder auf den Ring starrte, kam sie nicht umhin, sich Sorgen zu machen ...

Wie viel hat er wohl gekostet?

Als ob Ryan ihre Gedanken lesen wГјrde, sagte er ...

В»Mach dir keine Sorgen wegen des Rings.В«

Ryans beruhigendes Lächeln ließ ihre Sorge sich in einem Augenblick auflösen. Sie wusste, dass er kein Narr war, wenn es um Geld ging. Er hatte wahrscheinlich einen guten Preis für diesen Ring ausgehandelt − obwohl sie ihn nie danach fragen würde.

Riley fiel auf, wie Ryans Gesichtsausdruck traurig wurde, als er sich in der Wohnung umsah.

В»Stimmt etwas nicht?В«, fragte sie.

Ryan seufzte und sagte: »Ich werde dir ein besseres Leben ermöglichen. Ich verspreche es.«

Riley fГјhlte sich sonderbar erschГјttert.

Sie fragte: В»Was ist falsch an dem Leben, das wir jetzt haben? Wir sind jung und verliebt und wir werden ein Baby bekommen und в€’В«

В»Du weiГџt, was ich meineВ«, unterbrach Ryan sie.

В»Nein, ich bin mir nicht sicher, ob ich das tueВ«, sagte Riley.

Zwischen ihnen herrschte Stille.

Ryan seufzte wieder und sagte: В»Schau, ich fange morgen mit einem Einstiegsgehalt an zu arbeiten. Es fГјhlt sich nicht gerade nach dem besten Deal der Welt an. Aber es ist eine gute Firma und wenn ich dabeibleibe, werde ich aufsteigen und eines Tages vielleicht sogar Partner werden.В«

Riley starrte ihn unablässig an.

В»Eines Tages, ganz bestimmt sogarВ«, sagte sie. В»Aber dein Start ins Berufsleben ist schon jetzt sehr gut. Und ich mag, was wir im Moment haben.В«

Ryan zuckte mit den Schultern. В»Wir haben nicht viel. Zum einen haben wir nur ein Auto und das brauche ich, um zur Arbeit zu fahren, was bedeutet ...В«

Riley unterbrach ihn: В»Das bedeutet, dass ich jeden Morgen mit der Metro zu meinem Ausbildungs-Programm fahren werde. Was ist daran falsch?В«

Ryan griff Гјber den Tisch und nahm ihre Hand.

»Es ist ein zwei Blocks langer Fußweg zur nächsten Metrostation und von dort wieder zurück«, sagte er. »Und das ist nicht die sicherste Nachbarschaft der Welt. Das Auto wurde bereits einmal aufgebrochen. Es gefällt mir nicht, dass du alleine da hinaus gehen musst. Ich mache mir Sorgen.«

Ein seltsames, unangenehmes GefГјhl breitete sich in Riley aus. Sie war sich noch nicht sicher, was dieses GefГјhl bedeutete.

Sie sagte: »Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber ich mag diese Gegend hier wirklich. Ich habe mein ganzes Leben im ländlichen Virginia verbracht. Das ist eine aufregende Veränderung, ein Abenteuer. Außerdem weißt du, dass ich zäh bin. Mein Vater war ein Marinekapitän. Er hat mir beigebracht, wie man auf sich selbst aufpasst.«

Sie hätte fast hinzugefügt ...

Und ich habe vor ein paar Monaten den Angriff eines Serienmörders überlebt, erinnerst du dich?

Sie hatte nicht nur diesen Angriff überlebt, sondern auch dem FBI geholfen, den Mörder aufzuspüren und ihn vor Gericht zu bringen. Deshalb hatte man ihr die Möglichkeit geboten, an dem FBI-Ausbildungsprogramm teilzunehmen.

Aber sie wusste, dass Ryan im Moment nichts davon hören wollte. Sein männlicher Stolz war im Augenblick empfindlich.

Und Riley erkannte etwas ...

Ich Г¤rgere mich wirklich darГјber.

Riley wählte ihre Worte sorgfältig aus und versuchte, nicht das Falsche zu sagen ...

»Ryan, weißt du, es ist nicht allein deine Aufgabe, uns ein besseres Leben zu ermöglichen. Das geht uns beide etwas an. Ich werde mich genauso einbringen. Ich habe auch vor, Karriere zu machen.«

Ryan sah mit einem Stirnrunzeln weg.

Riley kämpfte einen Seufzer nieder, als sie erkannte ...

Ich habe doch das Falsche gesagt.

Sie hatte fast vergessen, dass Ryan ihr Sommerpraktikum nicht wirklich guthieß. Sie hatte ihn daran erinnert, dass es nur zehn Wochen waren und es sich nicht um körperliches Training handelte. Sie würde nur Agenten bei der Arbeit beobachten, zumeist beim Innendienst. Außerdem, so dachte sie, könnte es sogar zu einem Bürojob direkt dort im FBI-Hauptquartier führen.

Diese Aussicht war ihm wesentlich sympathischer, aber er war nicht gerade begeistert.

Aber Riley war es nach wie vor schleierhaft, was er fГјr sie bevorzugen wГјrde.

Wollte er vielleicht, dass sie eine Hausfrau wurde? Wenn ja, würde er früher oder später enttäuscht sein.

Aber jetzt war keine Zeit, um auf all das einzugehen.

Verderben wir diesen Moment nicht, sagte sich Riley.

Sie sah wieder auf ihren Ring und dann auf Ryan.

»Er ist wunderschön«, sagte sie. »Ich bin wirklich glücklich. Ich danke dir.«

Ryan lächelte und drückte ihre Hand.

Dann sagte Riley: В»Mit wem sollen wir also diese wunderbare Nachricht teilen?В«

Ryan zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Wir haben noch keine wirklichen Freunde hier in D.C.. Ich schätze, ich könnte mich mit einigen meiner alten Freunde von der juristischen Fakultät in Verbindung setzen. Vielleicht könntest du deinen Vater anrufen.«

Riley runzelte die Stirn ob dieser Idee. Ihr letzter Besuch bei ihrem Vater war nicht besonders angenehm gewesen. Ihre Beziehung war schon immer zutiefst problematisch gewesen.

Und auГџerdem ...

В»Er hat kein Telefon, schon vergessen?В«, sagte Riley. В»Er lebt ganz allein in den Bergen.В«

В»Oh, jaВ«, sagte Ryan.

В»Was ist mit deinen Eltern?В«, fragte Riley.

Ryans Lächeln verblasste ein wenig.

В»Ich werde es ihnen schriftlich mitteilenВ«, sagte er.

Riley musste sich selbst davon abhalten, zu fragen ...

Warum rufst du sie nicht einfach an?

Vielleicht könnte ich dann sogar mit ihnen reden.

Sie hatte Ryans Eltern, die in der kleinen Stadt Munny in Virginia lebten, noch nicht kennengelernt.

Riley wusste, dass Ryan unter einfachen Arbeitern aufgewachsen war und er war sehr darauf bedacht, diese Art von Leben hinter sich zu lassen.

Sie fragte sich, ob es ihm peinlich wäre, von ihnen in Verlegenheit gebracht zu werden, oder ...

Schämte er sich für mich?

Wussten sie Гјberhaupt, dass wir zusammenleben?

WГјrden sie es gutheiГџen?

Aber bevor Riley darГјber nachdenken konnte, wie sie das Thema anschneiden sollte, klingelte das Telefon.

»Vielleicht können wir einfach den Anrufbeantworter rangehen lassen«, sagte Ryan.

Riley dachte einen Moment darüber nach, während das Telefon weiter klingelte.

»Es könnte etwas Wichtiges sein«, sagte sie. Sie ging zum Telefon und nahm den Anruf entgegen.

Eine fröhliche, professionell klingende Männerstimme sagte: »Dürfte ich bitte mit Riley Sweeney sprechen?«

В»Am ApparatВ«, sagte Riley.

В»Hier ist Hoke Gilmer, Ihr Vorgesetzter beim FBI-Sommer-Programm. Ich wollte Sie nur daran erinnern ...В«

Riley sagte aufgeregt: В»Ja, ich weiГџ! Ich werde morgen frГјh um sieben Uhr pГјnktlich und hellwach da sein!В«

В»GroГџartig!В«, entgegnete Hoke. В»Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen.В«

Riley legte den Hörer auf und sah Ryan an. Er hatte einen wehmütigen Blick in den Augen.

В»WowВ«, sagte er. В»Jetzt wird es ernst, nicht wahr?В«

Riley verstand, wie er sich fГјhlte. Seit dem Umzug aus Lanton waren sie selten voneinander getrennt gewesen.

Und jetzt, morgen, wГјrden sie sich beide auf den Weg zu ihren neuen Jobs machen.

Riley sagte: В»Vielleicht sollten wir zur Feier des Tages etwas Besonderes zusammen machen.В«

В»Gute IdeeВ«, sagte Ryan. В»Vielleicht ins Kino gehen und ein gutes Restaurant finden und ...В«

Riley lachte, als sie ihn an der Hand packte und ihn auf die FГјГџe zog.

В»Ich habe eine bessere IdeeВ«, sagte sie.

Sie zog ihn ins Schlafzimmer, wo sie beide lachend auf das Bett fielen.




KAPITEL ZWEI


Riley fГјhlte, wie ihr Atem und ihr Herzschlag schneller wurden, als sie von der Metrostation in Richtung des massiven weiГџen J. Edgar Hoover Building ging.

Warum bin ich so nervös? fragte sie sich selbst. Schließlich hatte sie ihre erste Solofahrt mit der U-Bahn durch eine Stadt gemeistert, die größer war als alle Städte, die sie vor ihrem Umzug hierher besucht hatte.

Sie versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass dies keine so große Veränderung war, dass sie einfach nur wieder zur Schule ging, so wie sie es in Lanton getan hatte.

Aber sie kam nicht umhin, sich beeindruckt und eingeschüchtert zu fühlen. Zum einen befand sich das Gebäude an der Pennsylvania Avenue, direkt zwischen dem Weißen Haus und dem Kapitol. Mit Ryan war sie Anfang dieser Woche an dem Gebäude vorbeigefahren, aber die Realität, dass sie in den nächsten zehn Wochen hierherkommen würde, um zu lernen und zu arbeiten, traf sie erst jetzt mit voller Kraft. Es erschien ihr fast wie ein Traum.

Sie ging durch den Haupteingang und durch die Lobby zur Sicherheitsschleuse. Der diensthabende Wachmann fand ihren Namen auf einer Besucherliste und gab ihr eine ansteckbare Ausweiskarte. Er sagte ihr, sie solle einen Aufzug nehmen und sich drei Stockwerke tiefer zu einem kleinen Auditorium begeben.

Nachdem Riley den Hörsaal gefunden hatte und hineingegangen war, erhielt sie ein ganzes Bündel von Regeln, Vorschriften und Informationen, die sie später lesen sollte. Sie setzte sich zu etwa zwanzig weiteren Praktikanten, die alle in ihrem Alter zu sein schienen. Sie wusste, dass einige − so wie sie selbst – frisch gebackene Hochschulabsolventen waren, andere waren Studenten, die im Herbst ans College zurückkehren würden.

Die meisten der anderen Praktikanten waren männlich und alle waren gut gekleidet. Sie fühlte sich ein wenig verunsichert angesichts ihres eigenen Hosenanzuges, den sie in einem Gebrauchtwarenladen in Lanton gekauft hatte. Es war das beste Business-Outfit, das sie hatte, und sie hoffte, dass sie ausreichend respektabel aussah.

Bald trat ein Mann mittleren Alters vor die Praktikanten.

Er sagte: »Ich bin Assistant Director Marion Connor und verantwortlich für das FBI Honors Internship Sommer-Programm. Sie alle sollten sehr stolz darauf sein, heute hier zu sein. Sie sind eine sehr erlesene und außergewöhnliche Gruppe, ausgewählt aus Tausenden von Bewerbern ...«

Riley schluckte schwer, als er weiterhin die Gruppe beglГјckwГјnschte.

Tausende von Bewerbern!

Wie seltsam das zu sein schien. Die Wahrheit war, dass sie überhaupt keinen Antrag gestellt hatte. Sie war einfach für das Programm direkt nach dem College ausgewählt worden.

Gehöre ich wirklich hierher? fragte sie sich.

Assistant Director Connor stellte der Gruppe einen jüngeren Agenten vor − Hoke Gilmer, der Ausbilder, der sich gestern bei Riley gemeldet hatte. Gilmer wies die Praktikanten an, aufzustehen und ihre rechten Hände zu heben, um den Amtseid des FBI zu leisten.

Riley hatte das GefГјhl zu ersticken, als sie anfing, die Worte zu sprechen ...

»Ich, Riley Sweeney, schwöre feierlich, dass ich die Verfassung der Vereinigten Staaten gegen alle Feinde im In- und Ausland unterstützen und verteidigen werde ...«

Sie musste eine Träne zurückblitzen, als sie fortfuhr.

Das ist echt, sagte sie sich selbst. Das passiert gerade wirklich.

Sie hatte keine Ahnung, was sie von diesem Moment an erwartete.

Aber sie war sich sicher, dass ihr Leben nie wieder dasselbe sein wГјrde.



*



Nach der Zeremonie nahm Hoke Gilmer die Praktikanten mit auf eine lange Tour durch das J. Edgar Hoover Building. Riley war immer wieder erstaunt über die Größe und Komplexität des Gebäudes und über die zahlreichen Aktivitäten, die hier stattfanden. Es gab verschiedene Fitnessräume, einen Basketballplatz, eine medizinische Klinik, eine Druckerei, viele verschiedene Labore und Computerräume, einen Schießstand und sogar eine Leichenhalle und eine Autowerkstatt.

All das überwältigte ihre Sinne.

Nach Abschluss der Tour wurde die Gruppe in die Cafeteria im achten Stock gebracht. Riley fühlte sich erschöpft, als sie Essen auf ihr Tablett stellte − nicht so sehr von den Kilometern, die sie zurückgelegt hatte, sondern von allem, was sie gesehen und versucht hatte, aufzunehmen.

Wie viel von dieser wunderbaren Einrichtung würde sie in den zehn Wochen, die sie hier verbringen durfte, ausprobieren können? Sie wollte alles lernen, was sie konnte, so schnell wie möglich.

Und sie wollte sofort damit anfangen.

Doch als sie ihr Tablett trug und nach einem Platz zum Essen suchte, fГјhlte sie sich seltsam deplatziert. Die anderen Praktikanten schienen bereits Freundschaften zu schlieГџen, saГџen in Gruppen beisammen und unterhielten sich aufgeregt Гјber den Tag, den sie verbracht hatten. Sie sagte sich, sie solle sich zu einigen ihrer jungen Kollegen setzen, sich vorstellen und einige von ihnen kennenlernen.

Aber sie wusste, dass es nicht einfach werden wГјrde.

Riley hatte sich schon immer wie eine Außenseiterin gefühlt − und Freunde zu finden und sich anzupassen, war für sie nie selbstverständlich gewesen.

Und im Moment fГјhlte sie sich noch schГјchterner, als sie sich jemals erinnern konnte.

Und entsprang es nur ihrer Fantasie oder starrten einige der Praktikanten sie an und flГјsterten Гјber sie?

Sie hatte sich gerade entschieden, sich an einen freien Tisch zu setzen, als sie eine Stimme neben sich hörte.

В»Du bist Riley Sweeney, nicht wahr?В«

Sie drehte sich um und sah einen jungen Mann, der ihr im Auditorium und während der Führung ins Auge gefallen war. Sie hatte bemerkt, dass er auffallend gut aussah, etwas größer war als sie, kräftig und athletisch, mit kurzem lockigem Haar und einem angenehmen Lächeln. Sein Anzug sah teuer aus.

»Ähm, ja«, sagte Riley und fühlte sich plötzlich noch schüchterner als zuvor. »Und du ...«

В»John Welch. Es freut mich, dich kennenzulernen. Ich wГјrde anbieten, dir die Hand zu schГјtteln, aber ...В«

Er nickte auf die Tabletts, die sie beide trugen, und lachte ein wenig.

»Möchtest du dich zu mir setzen?«, fragte er.

Riley hoffte, dass sie nicht errötete.

В»SicherВ«, sagte sie.

Sie setzten sich an einem Tisch gegenГјber voneinander und begannen zu essen.

Riley fragte: В»Woher kennst du meinen Namen?В«

John lächelte schelmisch und sagte: »Du machst Witze, oder?«

Riley war verwirrt. Sie schaffte es, sich selbst davon abzuhalten, zu sagen ...

Nein, ich mache keine Witze.

John zuckte mit den Achseln und sagte: »So ziemlich jeder hier weiß, wer du bist. Ich schätze, man könnte sagen, dass dein Ruf dir vorauseilt.«

Riley sah zu einigen der anderen Studenten hinüber. Tatsächlich starrten einige von ihnen sie noch immer an und tauschten sich flüsternd aus.

Riley wurde sich klar ...

Sie werden erfahren haben, was in Lanton passiert ist.

Aber wie viel wussten sie?

Und war das eine gute oder eine schlechte Sache?

Mit einem ›Ruf‹ unter den Praktikanten hatte sie sicherlich nicht gerechnet. Dieser Gedanke ließ sie sich extrem verunsichert fühlen.

В»Wo kommst du her?В«, fragte sie.

В»Genau hier aus D.C.В«, sagte John. В»Ich habe im FrГјhjahr dieses Jahres meinen Bachelor in Kriminologie gemacht.В«

В»An welcher Schule?В«, fragte Riley.

John errötete ein wenig.

»Ähm − George Washington University«, sagte er.

Riley fühlte, wie sich ihre Augen bei der Erwähnung eines so teuren Colleges weiteten.

Er war sicher ziemlich wohlhabend, dachte sie.

Sie spГјrte auch, dass er sich deswegen etwas unbehaglich fГјhlte.

В»Wow, einen Abschluss in KriminologieВ«, sagte sie. В»Ich habe nur einen in Psychologie. Da bist du mir wirklich einen Schritt voraus.В«

John lachte.

В»Dir voraus? Ich glaube nicht. Ich meine, du bist wahrscheinlich der einzige Praktikant im Programm mit echter Felderfahrung.В«

Jetzt war Riley wirklich verblГјfft.

Felderfahrung?

Sie hatte das, was damals in Lanton passiert war, nicht als ›Felderfahrung‹ betrachtet.

John fuhr fort: »Ich meine, du hast tatsächlich geholfen, einen echten Serienmörder aufzuspüren und zu fassen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gewesen sein muss. Ich beneide dich wirklich.«

Riley runzelte die Stirn und schwieg. Sie wollte es nicht aussprechen, aber Neid schien eine schrecklich unangemessene Emotion zu sein, um nachzuempfinden, was sie durchgemacht hatte.

Was dachte John, was in diesen schrecklichen Wochen in Lanton vorgefallen war? Hatte er eine Ahnung, wie es war, die Leichen von zwei ihrer besten Freundinnen zu finden, deren Kehlen brutal aufgeschlitzt worden waren?

Wusste er, wie entsetzt und traurig sie sich gefГјhlt hatte в€’ und auch wie schuldig?

Noch immer verfolgte sie der Gedanke, dass ihre Mitbewohnerin Trudy noch am Leben sein würde, wenn Riley nur besser auf sie aufgepasst hätte.

Und hatte er eine Ahnung, wie verängstigt sie war, als sie selbst in die Klauen des Mörders geraten war?

Riley nahm einen Schluck von ihrer Limonade und stieГџ mit der Gabel in ihr Essen.

Dann sagte sie: В»Es war ... nun, es war nicht so, wie du es dir vielleicht vorstellst. Es ist nur etwas, das passiert ist.В«

Jetzt sah John sie mit echter Sorge an.

В»Es tut mir leidВ«, sagte er. В»Ich nehme an, du willst nicht darГјber reden.В«

В»Vielleicht ein anderes MalВ«, sagte Riley.

Es entstand eine unangenehme Stille. Riley wollte nicht unhöflich sein und begann, John Fragen über sich selbst zu stellen. Er schien nur ungern über sein Leben und seine Familie zu sprechen, aber Riley konnte ihm ein bisschen entlocken.

Johns Eltern waren beide prominente Anwälte, die in starkem Maße in der Politik in D.C. engagiert waren. Riley war beeindruckt − nicht so sehr von Johns wohlhabendem Hintergrund, sondern davon, dass er einen anderen Weg gewählt hatte als die anderen in seiner Familie. Anstatt eine angesehene Karriere in Recht und Politik zu verfolgen, hatte sich John einem bescheideneren Leben in der Strafverfolgung verschrieben.

Ein wahrhafter Idealist, dachte Riley.

Sie verglich ihn mit Ryan, der versuchte, seinen bescheidenen Hintergrund hinter sich zu lassen, indem er ein erfolgreicher Anwalt wurde.

NatГјrlich bewunderte sie Ryans Ehrgeiz. Das war eines der Dinge, die sie an ihm liebte. Aber sie kam nicht umhin, auch John fГјr die Entscheidungen zu bewundern, die er getroffen hatte.

Während sie weiterredeten, spürte Riley, dass John seinen Charme für sie ausspielte.

Er flirtet mit mir, wurde ihr klar.

Sie war ein wenig erstaunt darГјber. Ihre linke Hand lag offen sichtbar auf dem Tisch, sodass er gewiss ihren neuen Verlobungsring sehen konnte.

Sollte sie erwähnen, dass sie verlobt war?

Sie hatte das Gefühl, dass das irgendwie unangenehm wäre − vor allem, wenn sie sich irrte.

Vielleicht flirtete er Гјberhaupt nicht mit mir.

Schon bald stellte John Fragen über Riley, wobei er sich vorsichtig vom Thema der Morde in Lanton fernhielt. Wie üblich vermied Riley bestimmte Probleme − ihre schwierige Beziehung zu ihrem Vater, ihre rebellischen Teenagerjahre und vor allem, dass sie mit ansehen musste, wie ihre eigene Mutter erschossen wurde, als sie ein kleines Mädchen war.

AuГџerdem kam Riley zu dem Schluss, dass sie im Gegensatz zu Ryan oder John wirklich nicht viel Гјber ihre Hoffnungen, die Zukunft betreffend, zu sagen hatte.

Was sagt das Гјber mich aus? fragte sie sich.

Schließlich sprach sie doch noch über ihre wachsende Beziehung zu Ryan und dass sie sich erst gestern verlobt hatten − allerdings erwähnte sie nicht, dass sie schwanger war. Sie bemerkte keine besondere Veränderung in Johns Verhalten.

Ich schätze, er ist einfach von Natur aus charmant, dachte sie.

Sie war erleichtert bei dem Gedanken, dass sie voreilige SchlГјsse gezogen und er nicht mit ihr geflirtet hatte.

Er war ein netter Kerl und sie freute sich darauf, ihn besser kennenzulernen. Tatsächlich war sie sich ziemlich sicher, dass John und Ryan sich mögen würden. Vielleicht könnten sie sich bald alle einmal treffen.

Nachdem die Praktikanten ihre Mahlzeiten beendet hatten, trommelte Hoke Gilmer sie zusammen und brachte sie ein paar Stockwerke tiefer in einen groГџen Aufenthaltsraum, der fГјr die kommenden zehn Wochen ihr Hauptquartier sein sollte. Ein jГјngerer Agent, der Gilmer assistierte, wies jedem der Praktikanten einen Spind zu. Dann setzten sich alle Praktikanten an die Tische und StГјhle in der Mitte des Raumes und der jГјngere Agent begann, Handys zu verteilen.

Gilmer erklärte: »Wir befinden uns am Beginn des 21. Jahrhundert und das FBI mag es nicht, den neuesten Technologien hinterherzuhinken. Wir werden in diesem Jahr keine Pager verteilen. Einige von Ihnen besitzen vielleicht ein eigenes Handy, aber wir möchten, dass Sie ein separates für das FBI haben. Eine Anleitung finden Sie in Ihrem Orientierungspaket.«

Dann lachte Gilmer, als er hinzufГјgte: В»Ich hoffe, Sie werden sich leichter damit tun, zu lernen, wie man es benutzt, als ich.В«

Einige der Praktikanten lachten und nahmen ihr neues Spielzeug in Empfang.

Rileys Handy fühlte sich seltsam klein in ihrer Hand an. Sie war an größere schnurlose Telefone gewöhnt und hatte noch nie zuvor ein Handy benutzt. Obwohl sie in Lanton Computer benutzt hatte und einige ihrer Freunde dort Handys gehabt hatten, besaß sie immer noch keins. Ryan hatte natürlich bereits einen Computer und ein Handy und er neckte Riley manchmal wegen ihrer veralteten Gewohnheiten.

Das hatte ihr nicht sonderlich gefallen. Die Wahrheit war, dass der einzige Grund, warum sie bisher weder einen Computer noch ein Handy besaГџ, darin bestand, dass sie es sich nicht leisten konnte.

Dieses hier sah fast genau wie Ryans aus в€’ sehr einfach, mit einem kleinen Bildschirm fГјr Textnachrichten, einem Ziffernblock und nur drei oder vier weiteren Tasten. Dennoch fГјhlte es sich seltsam an, als sie realisierte, dass sie noch nicht einmal wusste, wie man damit einen normalen Telefonanruf machte. Sie wusste, dass es sich auch seltsam anfГјhlen wГјrde, die ganze Zeit telefonisch erreichbar zu sein, egal wo sie sich gerade befand.

Sie erinnerte sich daran ...

Ich beginne ein ganz neues Leben.

Riley bemerkte, dass gerade eine Gruppe von offiziell aussehenden Personen, die meisten von ihnen Männer, in die Aufenthaltsraum gekommen waren.

Gilmer sagte: »Jeder von Ihnen wird während seiner Wochen hier von einem erfahrenen Special Agent begleitet. Sie beginnen damit, Ihnen Kenntnisse in ihren eigenen Fachgebieten zu vermitteln − Analyse von Verbrechensdaten, forensische Arbeit, Computerlaborarbeit und was sie sonst noch alles machen. Wir stellen sie Ihnen jetzt vor und dann übernehmen sie die Dinge von hier.«

Als der jГјngere Agent jeden der Praktikanten seinem Supervisor zugeteilt hatte, erkannte Riley ...

Es gibt einen Agenten weniger, als es Praktikanten waren.

Nachdem die anderen Praktikanten mit ihren Mentoren weggegangen waren, fand sich Riley tatsächlich ohne einen eigenen Supervisor wieder. Sie sah Gilmer perplex an.

Gilmer lächelte leicht und sagte: »Sie finden den Agenten, dem Sie wie ein Schatten folgen werden, weiter den Flur hinunter in Zimmer neunzehn.«

Riley war ein wenig verunsichert, verließ den Aufenthaltsraum und ging den Flur hinunter, bis sie das richtige Zimmer fand. Sie öffnete die Tür und sah, dass ein kleiner, fassförmiger Mann mittleren Alters auf der Kante eines Tischs saß.

Riley schnappte laut nach Luft, als sie ihn erkannte.

Es war Special Agent Jake Crivaro в€’ der Agent, mit dem sie in Lanton zusammengearbeitet und der ihr das Leben gerettet hatte.




KAPITEL DREI


Riley lächelte, als sie Special Agent Jake Crivaro erkannte. Sie hatte ihren Morgen unter Fremden verbracht und war sehr erfreut, dieses vertraute Gesicht zu sehen.

Ich schätze, ich sollte nicht überrascht sein, dachte sie.

SchlieГџlich erinnerte sie sich an das, was er ihr in Lanton gesagt hatte, als er ihr die Papiere fГјr das FBI-Sommer-Programm Гјbergeben hatte ...

»Ich bin pensionsberechtigt, aber ich könnte noch eine Weile bleiben, um jemandem wie dir zu helfen.«

Er musste ausdrГјcklich darum gebeten haben, Rileys Mentor fГјr ihr Praktikum zu sein.

Aber Rileys Lächeln verblasste schnell, als ihr klar wurde ...

Er lächelte nicht zurück.

Tatsächlich sah Agent Crivaro nicht im Geringsten glücklich darüber aus, sie zu sehen.

Noch immer auf der Tischkante sitzend, verschränkte er seine Arme und nickte einem unscheinbaren, aber liebenswürdig aussehenden Mann in den Zwanzigern zu, der in der Nähe stand. Crivaro sagte ...

»Riley Sweeney, ich möchte Ihnen Special Agent Mark McCune vorstellen, direkt hier aus D.C., er ist mein Partner an einem Fall, an dem ich seit heute arbeite.«

»Schön, Sie kennenzulernen«, sagte Agent McCune mit einem Lächeln.

В»EbensoВ«, sagte Riley.

McCune wirkte deutlich freundlicher als Crivaro.

Crivaro stand vom Tisch auf. »Betrachten Sie sich als glücklich, Sweeney. Während die anderen Praktikanten drinnen lernen, wie man Aktenschränke und Büroklammern benutzt, gehen Sie direkt ins Feld. Ich bin gerade aus Quantico hergekommen, um an einem Drogenfall zu arbeiten. Sie werden sich Agent McCune und mir anschließen − wir sind gerade auf dem Weg zum Tatort.«

Agent Crivaro ging aus dem Raum.

Als Riley und Agent McCune ihm folgten, dachte Riley ...

Er hat mich ›Sweeney‹ genannt und gesiezt.

Während ihrer Zeit in Lanton hatte sie sich daran gewöhnt, dass er sie ›Riley‹ nannte und duzte.

Riley flüsterte McCune zu: »Ist Agent Crivaro wegen etwas verärgert?«

McCune zuckte mit den Achseln und flüsterte zurück: »Ich hatte gehofft, Sie könnten es mir sagen. Dies ist mein erster Arbeitstag mit ihm, aber ich habe gehört, dass Sie bereits an einem Fall mit ihm gearbeitet haben. Man sagt, er war ziemlich beeindruckt von Ihnen. Er hat den Ruf, etwas schroff zu sein. Sein letzter Partner wurde gefeuert, wissen Sie?«

Riley hätte fast gesagt ...

Eigentlich wusste ich das nicht.

Sie hatte Crivaro in Lanton nie etwas von einem Partner sagen hören.

Obwohl Crivaro knallhart gewesen war, hatte sie ihn nie als ›schroff‹ angesehen. Tatsächlich dachte sie an ihn als eine liebenswürdige Vaterfigur − ganz im Gegensatz zu ihrem richtigen Vater.

Riley und McCune folgten Crivaro zu einem Auto auf der Parkebene des FBI-Gebäudes. Niemand sprach, als Crivaro sie aus dem Gebäude und in Richtung Norden durch die Straßen von D.C. fuhr.

Riley fragte sich, ob Crivaro jemals erklären würde, was sie vorhatten, wann immer sie dort ankamen, wo sie hinfuhren.

Irgendwann erreichten sie eine schäbige Nachbarschaft. Die Straßen waren gesäumt von Reihenhäusern, die für Riley so aussahen, als wären sie einst nette Häuser gewesen, aber nun schrecklich heruntergekommen waren.

Noch während er fuhr, sprach Agent Crivaro schließlich mit ihr.

»Ein paar Brüder, Jaden und Malik Madison, leiten seit einigen Jahren den Drogenhandel in dieser Gegend. Sie und ihre Bande waren so dreist, dass sie die Drogen direkt auf der Straße verkauft haben, als wäre es eine Art Wochenmarkt. Die örtlichen Polizisten konnten nichts tun, um sie aufzuhalten.«

В»Warum nicht?В«, fragte Riley.

Crivaro antwortete: В»Die Bande hat immer Ausschau nach Polizisten gehalten. AuГџerdem hatten sie die ganze Nachbarschaft mit ihren SchieГџereien aus vorbeifahrenden Autos eingeschГјchtert, so was in der Art. Ein paar Kinder sind erschossen worden, nur weil sie dort gestanden haben, wo sie nicht sein sollten. Niemand wagte es, mit der Polizei darГјber zu reden, was los war.В«

Crivaro blickte entlang der Häuserzeilen und fuhr fort.

В»Das FBI wurde vor ein paar Tagen zu Hilfe gerufen. Erst heute Morgen hat es einer unserer Undercover-Leute geschafft, Jaden zu verhaften. Sein Bruder, Malik, ist noch auf freiem FuГџ, und die Bande hat sich verstreut. Sie werden nicht leicht zu fassen sein. Aber wegen der Verhaftung konnten wir einen Durchsuchungsbefehl fГјr das Haus bekommen, von dem aus sie operiert haben.В«

Riley fragte: В»Wenn die Gang noch da drauГџen ist, werden sie dann nicht einfach weitermachen?В«

McCune sagte: »Jetzt können die örtlichen Polizisten wirklich etwas tun. Sie werden eine ›Mini-Polizei-Station‹ direkt auf dem Bürgersteig einrichten − nur einen Picknicktisch und ein paar Stühle, die von ein paar uniformierten Offizieren besetzt sind. Sie werden mit den Einheimischen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass das Gleiche hier nicht wieder passiert.«

Riley hätte fast gefragt ...

Werden sie nicht ihre Geschäfte einfach in eine andere Gegend verlegen?

Aber sie wusste, dass es eine dumme Frage war. NatГјrlich wГјrde die Bande irgendwo anders weitermachen в€’ zumindest dann, wenn sie nicht erwischt wГјrden. Und dann mГјssten die Cops und das FBI wieder von vorne anfangen, wo immer das auch sein mochte. Das war eben die Natur dieser Art von Arbeit.

Crivaro stoppte das Auto und zeigte auf das nächstgelegene Haus.

В»Die Suche ist in diesem Fall bereits im GangeВ«, sagte er. В»Und wir sind hier, um zu helfen.В«

Als sie aus dem Auto stiegen, wackelte Crivaro streng mit dem Finger in Richtung Riley.

»Mit ›wir‹ meinte ich Agent McCune und mich selbst. Sie sind hier, um zuzusehen und zu lernen. Also bleiben Sie verdammt nochmal aus dem Weg. Und fassen Sie nichts an.«

Riley bekam eine Gänsehaut bei seinen Worten. Aber sie nickte gehorsam.

Ein uniformierter Polizist, der in der offenen Tür gestanden hatte, führte sie hinein. Riley sah sofort, dass hier bereits eine große Operation im Gange war. Der schmale Flur war voll von ortsansässigen Polizisten und von Agenten, die FBI-Jacken trugen. Sie waren dabei, Waffen und Beutel mit Drogen in der Mitte des Bodens aufzustapeln.

Crivaro sah zufrieden aus. Er sagte zu einem der FBI-Männer: »Sieht aus, als wärt ihr hier auf eine echte Goldmine gestoßen.«

Der FBI-Mann lachte und sagte: В»Wir sind ziemlich sicher, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist. Es muss hier irgendwo eine Menge Geld geben, aber das haben wir noch nicht gefunden. Es gibt viele Orte, an denen man in einem Haus wie diesem etwas verstecken kann. Unsere Jungs gehen gerade jeden Quadratzentimeter durch.В«

Riley folgte Crivaro und McCune eine Treppe hinauf in den zweiten Stock.

Sie konnte nun sehen, dass das Haus, und offenbar auch die anderen, die es umgaben, größer waren, als es nach außen aussah. Obwohl die Front schmal war, zog es sich in die Länge, mit vielen Räumen entlang der Flure. Zusätzlich zu den beiden sichtbaren Stockwerken vermutete Riley, dass das Haus auch einen Dachboden und einen Keller hatte.

Oben auf der Treppe stießen vier Agenten fast mit Crivaro zusammen, als sie aus einem der Räume kamen.

В»Da ist nichts drinВ«, sagte einer der Agenten.

В»Bist du sicher?В«, fragte Crivaro.

В»Wir haben es von oben bis unten durchsuchtВ«, sagte der andere Agent.

Dann rief eine Stimme aus dem Raum direkt gegenГјber dem Flur ...

В»He, ich glaube, wir haben hier wirklich etwas!В«

Riley folgte Crivaro und McCune Гјber den Flur. Bevor sie mit ihnen in den Raum gehen konnte, streckte Crivaro seine Hand aus und hielt sie auf.

»Nein, nein«, sagte er zu ihr. »Sie können vom Flur aus zusehen.«

Riley blieb direkt vor der Tür stehen und sah zu, wie fünf Männer den Raum durchsuchten. Derjenige, der Jake gerufen hatte, stand neben einem rechteckigen Gebilde an der Wand.

Er sagte: »Das hier sieht aus, als wäre es früher ein Speiseaufzug gewesen. Was meinst du, was wir da drin finden werden?«

В»Mach es aufВ«, sagte Crivaro.

Riley machte einen Schritt nach vorne, um zu sehen, was sie da machten.

Jake sah zu ihr auf und rief ...

В»He, Sweeney. Was habe ich Ihnen gerade gesagt?В«

Riley war im Begriff zu erklären, dass sie nicht wirklich beabsichtigte, hineinzukommen, als Jake einen Polizisten befahl ...

В»Mach die verdammte TГјr zu.В«

Die TГјr schlug vor Rileys Gesicht zu. Riley stand im Flur und fГјhlte sich schockiert und verlegen.

Warum ist Agent Crivaro so wГјtend auf mich? fragte sie sich.

Es ertönte jetzt viel Lärm aus dem Inneren des Raumes. Es klang, als würde jemand mit einem Brecheisen sich an der Stelle in der Wand zu schaffen machen, der einst der Speiseaufzug gewesen war. Riley wünschte sich, sie könnte sehen, was los war, aber das erneute Öffnen der Tür kam nicht infrage.

Sie ging über den Flur und in den Raum auf der anderen Seite, denjenigen, von dem die Agenten gesagt hatten, dass er bereits durchsucht worden war. Stühle und Möbel waren umgeworfen und ein Teppich lag in Falten, nachdem er hochgehoben und wieder fallen gelassen worden war.

Alleine im Raum ging Riley zu dem Fenster, das die StraГџe Гјberblickte.

Draußen sah sie ein paar vereinzelte Menschen, die sich zügig bewegten, als ob sie es eilig hätten, dorthin zu gelangen, wo sie hinwollten.

Sie fГјhlen sich drauГџen nicht sicher, erkannte sie. Dieser Umstand erschien ihr unglaublich traurig.

Sie fragte sich, wie lange es schon her war, dass diese Nachbarschaft ein angenehmer Ort zum Leben war.

Sie fragte sich auch ...

Machen wir wirklich einen Unterschied?

Riley versuchte sich vorzustellen, wie das Leben hier aussehen könnte, nachdem die von Agent McCune erwähnte ›Mini-Polizei-Station‹ eingerichtet war. Würden sich die Nachbarn wirklich sicherer fühlen, weil ein paar Polizisten an einem Picknicktisch postiert waren?

Riley seufzte, als sie zusah, wie die Handvoll Menschen auf der StraГџe weiter zu ihren einzelnen Zielen eilten.

Sie erkannte, dass sie die Frage falsch gestellt hatte.

Es gab kein ›wir‹ − zumindest noch nicht.

Sie war an dieser Operation Гјberhaupt nicht beteiligt. Und Agent Crivaro hatte offensichtlich kein Vertrauen in sie.

Sie wandte sich vom Fenster ab und ging zurück zur Tür. Als sie den zerknitterten Teppich überquerte, bemerkte sie ein seltsames Geräusch unter ihren Füßen. Sie hielt in ihrer Bewegung inne und stand einen Moment lang nur da. Dann klopfte sie mit ihrer Ferse auf den Boden.

Es klang seltsam hohl, dort, wo sie stand.

Sie ging zum Rand des Teppichs und zog ihn von dieser Stelle auf dem Boden herunter.

Sie sah nichts Ungewöhnliches, nur einen einfachen Parkettboden.

Ich schätze, ich habe mir das nur eingebildet, dachte sie.

Sie erinnerte sich daran, was einer der Agenten gesagt hatte, als er aus diesem Raum kam.

В»Wir haben alles von oben bis unten durchsucht.В«

Sicherlich würde sie nichts finden, was vier FBI-Agenten übersehen hätten.

Und doch war sie sich sicher, dass sie etwas Seltsames gehört hatte. Sie hätte es nicht bemerkt, wenn sich jemand anderes im Raum bewegt hätte. Es war ihr nur aufgefallen, weil es hier drin ruhig war.

Sie machte ein paar Schritte zur Seite und klopfte mit ihrer Ferse gegen den Boden. Der Boden klang wieder fest. Dann beugte sie sich vor und klopfte an der Stelle, die sie zuvor mit ihren Absätzen entdeckt hatte.

Tatsächlich klang es dort hohl. Sie sah immer noch keine Anzeichen einer Öffnung, aber ...

Ich frage mich.

Sie konnte sehen, dass eine Länge des Brettes kürzer war als die anderen. Es hatte an einem Ende einen dunklen Fleck, der wie ein gewöhnlicher Ast aussah.

Riley drГјckte mit dem Finger auf diese Stelle.

Sie erschrak beinahe, als sich das Brett am anderen Ende ein wenig erhob.

Ich habe etwas gefunden! dachte sie.

Ich habe wirklich etwas gefunden!




KAPITEL VIER


Riley zerrte am Ende des Brettes, das ein wenig hochgekommen war.

Das ganze Brett löste sich. Sie legte es zur Seite.

Und tatsächlich gab es eine Öffnung zu einem Hohlraum unter dem Boden.

Riley schaute genauer hin. Unter den Dielen versteckt, waren BГјndel von Geldscheinen.

Sie schrie laut: В»Agent Crivaro! Ich habe etwas gefunden!В«

Während sie auf eine Reaktion wartete, sah Riley neben diesen Geldbündeln noch etwas anderes. Es war die Kante eines Plastikgegenstandes.

Riley griff nach dem Objekt und hob es auf.

Es war ein Mobiltelefon в€’ ein einfacheres Modell als das, das ihr vor kurzem gegeben worden war. Sie erkannte, dass dies eines dieser Prepaid-Handys sein musste, die nicht auf den Besitzer zurГјckverfolgt werden konnten.

Ein Wegwerf-Handy, dachte sie. Das musste bei einer Drogenoperation sehr nГјtzlich sein.

Plötzlich hörte sie eine Stimme von der Türöffnung schreien ...

В»Sweeney! Was zum Teufel glauben Sie, was Sie da tun?В«

Riley drehte sich um und sah Agent Crivaro, sein Gesicht war rot vor Wut. Agent McCune war direkt hinter ihm eingetreten.

Sie hielt das Telefon hin und sagte: В»Ich habe etwas gefunden, Agent Crivaro.В«

В»Das sehe ichВ«, sagte Crivaro. В»Und Ihre FingerabdrГјcke sind Гјberall darauf. Geben Sie mir das Ding.В«

Riley Гјbergab das Telefon an Crivaro, der es behutsam mit Daumen und Zeigefinger nahm und in eine BeweistГјte legte. Sie sah, dass sowohl er als auch Agent McCune Handschuhe trugen.

Sie fühlte, wie sich ihr Gesicht vor Scham und Verlegenheit rötete.

Ich habe es wirklich vermasselt.

McCune kniete sich nieder und schaute in den Raum unter dem Boden.

Er sagte: В»Agent Crivaro! Sehen Sie sich das an!В«

Crivaro kniete neben McCune nieder, der sagte: В»Es ist das Geld, nach dem wir im ganzen Haus gesucht haben.В«

В»Sieht so ausВ«, sagte Crivaro.

Als er sich wieder in Richtung Riley drehte, rastete Crivaro aus ...

В»Haben Sie etwas von dem Geld angefasst?В«

Riley schГјttelte den Kopf.

В»Sind Sie sicher?В«, fragte Crivaro.

В»Ich bin mir sicherВ«, sagte Riley schГјchtern.

В»Wie haben Sie das gefunden?В«, fragte Crivaro und zeigte auf die Г–ffnung.

Riley zuckte mit den Achseln und antwortete: »Ich bin hier langgelaufen und hörte ein hohles Geräusch unter dem Boden, also zog ich den Teppich zurück und −«

Crivaro unterbrach: В»Und Sie haben dieses Brett herausgerissen.В«

В»Nun, ich habe es nicht gerade herausgerissen. Es ist einfach irgendwie hochgekommen, als ich es an einer bestimmten Stelle berГјhrt habe.В«

Crivaro knurrte: В»Sie haben es berГјhrt. Und das Telefon auch. Ich kann es nicht glauben. Ihre FingerabdrГјcke sind auf allem zu finden.В«

Riley stammelte: В»Es tut mir leid, Sir.В«

В»Das sollte es auch, verdammt noch malВ«, sagte Crivaro. В»Ich bringe Sie hier weg, bevor Sie noch etwas vermasseln.В«

Er stand vom Boden auf und wischte sich die Hände ab.

Er sagte: В»McCune, lassen Sie das Suchteam weiterarbeiten. Wenn sie die Zimmer auf dieser Etage fertig haben, lassen Sie sie auf dem Dachboden suchen. Ich denke nicht, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass wir noch viel mehr finden werden, aber wir mГјssen grГјndlich sein.В«

В»Das werde ich tun, SirВ«, sagte McCune.

Crivaro fГјhrte Riley zurГјck nach unten und zu seinem Auto.

Als sie losfuhren, fragte Riley: В»Fahren wir zurГјck ins Hauptquartier?В«

В»Heute nicht mehrВ«, sagte Crivaro. В»Vielleicht nie wieder. Wo wohnst du? Ich bringe dich nach Hause.В«

Mit einer vor Emotionen erstickender Stimme nannte Riley ihm ihre Adresse.

Als sie schweigend weiterfuhren, erinnerte sich Riley daran, wie beeindruckt Crivaro von ihr in Lanton gewesen war und wie er ihr gesagt hatte ...

»Das FBI braucht junge Leute wie dich, besonders Frauen. Du wärst ein sehr guter BAU-Agent.«

Wie sich die Dinge verändert hatten! Jetzt siezte Crivaro sie sogar im Beisein anderer.

Und sie wusste, dass es nicht nur an dem Fehler lag, den sie gemacht hatte. Crivaro war von Anfang an kalt zu ihr gewesen.

Im Moment wГјnschte sich Riley nur, er wГјrde etwas sagen в€’ irgendetwas.

Sie fragte schГјchtern: В»Wurde etwas in dem anderen Raum auf der anderen Seite des Flurs gefunden? Ich meine, dort wo frГјher der Speiseaufzug war?В«

В»Gar nichtsВ«, sagte Crivaro.

Eine weitere Stille trat ein. Jetzt fing Riley an, sich unsicher zu fГјhlen.

Sie wusste, dass sie einen schrecklichen Fehler gemacht hatte, aber ...

Was hätte ich denn tun sollen?

Sie hatte in diesem Raum ein BauchgefГјhl gehabt, dass da etwas unter dem Boden war.

Hätte sie dieses Gefühl einfach ignorieren sollen?

Sie sammelte ihren Mut und sagte ...

»Sir, ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, aber habe ich nicht etwas Wichtiges gefunden? Vier Agenten hatten diesen Raum durchsucht und das Versteck übersehen. Sie haben nach dem Geld gesucht und ich habe es gefunden. Hätte es sonst noch jemand gefunden, wenn ich es nicht getan hätte?«

В»Das ist nicht der PunktВ«, sagte Crivaro.

Riley kämpfte gegen den Drang zu fragen ...

Worum geht es dann?

Crivaro fuhr mehrere Minuten lang in mürrischer Stille weiter. Dann sagte er mit leiser, bitterer Stimme: »Ich habe viele Fäden gezogen, um dich in dieses Programm zu bringen.«

Eine weitere Stille trat ein. Aber Riley verstand die Bedeutung hinter diesen Worten. Sie begriff, dass Crivaro sich wirklich in ihrem Namen aus dem Fenster gelehnt hatte, nicht nur, um sie in das Programm zu bekommen, sondern auch, um als ihr Mentor zu agieren. Und er hatte wahrscheinlich einige seiner Kollegen wГјtend gemacht, vielleicht indem er interne Kandidaten ausschloss, die sie fГјr vielversprechender gehalten hatten als Riley.



Nun, da sie die Dinge so sah, begann Crivaros kaltes Verhalten Sinn zu ergeben. Er wollte ihr gegenüber nicht einmal das geringste Maß an Vorzugsbehandlung zeigen. Tatsächlich war er ins andere Extrem gefallen. Er hatte sich darauf verlassen, dass sie sich ohne jede Ermutigung von ihm und trotz der Zweifel und Ressentiments seiner Kollegen als würdig erwies.

Und nach den Blicken und dem FlГјstern zu urteilen, das sie unter anderem tagsГјber bemerkt hatte, waren Crivaros Kollegen nicht die einzigen Menschen, die diese Ressentiments hatten. Sie hatte einen steilen Anstieg hinter sich, nur um selbst bescheidene Erfolge zu erzielen.

Und sie hatte alles an einem einzigen Nachmittag vermasselt, mit einem dummen Fehler. Crivaro hatte guten Grund, enttäuscht und wütend zu sein.

Sie nahm einen langen, langsamen Atemzug und sagte ...

В»Es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen.В«

Crivaro antwortete fГјr einige Augenblicke nicht.

Schließlich sagte er: »Ich schätze, du willst eine zweite Chance. Nun, lass es mich dir sagen, das FBI ist nicht gerade begeistert von zweiten Chancen. Mein letzter Partner wurde gefeuert, weil er die gleiche Art von Fehler gemacht hat − und er hatte es definitiv verdient. Ein solcher Fehler hat Konsequenzen. Manchmal bedeutet es nur, einen Fall zu verderben, sodass ein Verbrecher freikommt. Manchmal kostet es jemanden sein Leben. Es kann dein eigenes Leben kosten.«

Crivaro blickte mit einem finsteren Blick zu ihr hinГјber.

В»Also, was denkst du, was ich tun soll?В«, fragte er.

В»Ich weiГџ es nichtВ«, sagte Riley.

Crivaro schüttelte den Kopf. »Ich weiß es auch nicht. Ich schätze, vielleicht sollten wir beide darüber schlafen. Ich muss entscheiden, ob ich deine Fähigkeiten falsch eingeschätzt habe. Du musst dich entscheiden, ob du wirklich das Zeug dazu hast, in diesem Programm zu bleiben.«

Riley fГјhlte einen KloГџ in ihrem Hals, ihre Augen brannten und sie blinzelte heftig.

Nicht weinen, sagte sie sich selbst.

Weinen war das Einzige, was ihr einfiel, was die Dinge noch schlimmer machen wГјrde, als sie es bereits waren.




KAPITEL FГњNF


Riley, die immer noch von Crivaros Tadel gezeichnet war, kam zwei volle Stunden vor Ryan zu Hause an. Als Ryan nach Hause kam, schien er zwar überrascht zu sein, dass sie so früh zurückgekommen war, aber er war zu aufgeregt wegen seinem eigenen Tag, um zu bemerken, wie verärgert sie war.

Ryan setzte sich mit einem Bier an den Küchentisch, während Riley Makkaroni und Käse aufwärmte. Sie konnte erkennen, dass er wirklich über alles, was er in der Kanzlei tat, begeistert war und ihr alles darüber erzählen wollte. Sie versuchte, genau zuzuhören.

Ihm waren mehr Aufgaben übertragen worden, als er erwartet hatte − eine Menge komplexer Recherchen und Analysen, das Schreiben von Schriftsätzen, die Vorbereitung von Gerichtsverfahren und andere Aufgaben, die Riley kaum verstanden hatte. Er würde morgen sogar zum ersten Mal in einem Gerichtssaal erscheinen. Selbstverständlich würde er nur die leitenden Anwälte unterstützen, aber es war ein echter Meilenstein für ihn.

Ryan wirkte nervös, erschöpft, vielleicht ein wenig verängstigt, aber vor allem begeistert.

Riley versuchte, weiter zu lächeln, als sie sich hinsetzten und zu Abend aßen. Sie wollte sich für ihn freuen.

SchlieГџlich fragte Ryan ...

»Wow, hör dir nun an, wie ich rede. Was ist mit dir? Wie war dein Tag?«

Riley schluckte schwer.

»Es hätte besser laufen können«, sagte sie. »Eigentlich war es ziemlich schlimm.«

Ryan griff Гјber den Tisch und nahm ihre Hand mit einem Ausdruck aufrichtiger Sorge.

В»Es tut mir leidВ«, sagte er. В»Willst du darГјber reden?В«

Riley fragte sich, ob es ihre Stimmung aufhellen wГјrde, wenn sie darГјber sprach.

Nein, ich werde nur anfangen zu weinen.

Außerdem dürfte Ryan nicht glücklich darüber sein, dass sie heute tatsächlich ins Feld gegangen war. Sie waren beide davon ausgegangen, dass sie ihr Training sicher im Gebäude absolvieren würde. Nicht, dass sie wirklich in Gefahr gewesen wäre ...

»Ich möchte lieber nicht auf Details eingehen«, sagte Riley. »Aber erinnerst du dich an Special Agent Crivaro, den FBI-Mann, der mir in Lanton das Leben gerettet hat?«

Ryan nickte.

Riley fuhr fort: »Nun, er sollte mein Mentor sein. Aber jetzt hat er Zweifel, ob ich in das Programm gehöre. Und ... ich schätze, ich habe auch Zweifel. Vielleicht war die ganze Sache ein Fehler.«

Ryan drГјckte ihre Hand, sagte aber nichts.

Riley wГјnschte sich, er wГјrde etwas sagen. Aber was wollte sie, dass er sagte?

Was sollte er sagen?

Schließlich war Ryan von Anfang an nicht begeistert gewesen, dass Riley im Programm war. Er wäre wahrscheinlich genauso glücklich, wenn sie aussteigen oder sogar rausgeschmissen würde.

SchlieГџlich sagte Ryan: В»Schau, vielleicht ist es einfach nicht der richtige Zeitpunkt fГјr dich, das zu tun. Ich meine, du bist schwanger, wir sind gerade erst hierhergezogen und ich beginne gerade erst bei Parsons and Rittenhouse. Vielleicht solltest du einfach warten, bis ...В«

В»Warten, bis wann?В«, fragte Riley. В»Bis ich eine Mutter bin, die ein Kind groГџzieht? Wie soll das funktionieren?В«

Ryans Augen weiteten sich bei Rileys bitterem Tonfall. Sogar Riley war erschrocken Гјber den Klang ihrer eigenen Stimme.

В»Es tut mir leidВ«, sagte sie. В»Ich wollte nicht, dass es so rauskommt.В«

Ryan sagte leise: »Riley, du wirst eine Mutter sein, die ein Kind großzieht. Wir werden Eltern sein. Es ist eine Realität, der wir uns beide stellen müssen, ob du nun mit dem Sommer-Programm weiter machst oder nicht.«

Riley hatte jetzt wirklich MГјhe, nicht zu weinen. Die Zukunft schien so dГјster und unergrГјndlich.

Sie fragte: В»Was soll ich tun, wenn ich nicht im Programm bin? Ich kann nicht den ganzen Tag in dieser Wohnung rumsitzen.В«

Ryan zuckte leicht mit den Schultern.

»Nun, du kannst immer einen Job finden und ein bisschen dazu verdienen. Vielleicht eine Art von Zeitarbeit − etwas, bei dem du einfach kündigen kannst, wenn du es satthast. Du hast dein ganzes Leben noch vor dir. Es bleibt genug Zeit, um herauszufinden, was du wirklich tun willst. Aber bald könnte ich so erfolgreich sein, dass du überhaupt nicht mehr arbeiten müsstest, wenn du nicht willst.«

Sie wurden beide fГјr einen Moment still.

Dann sagte Riley: »Also denkst du, ich sollte aufhören?«

В»Was ich denke, spielt keine RolleВ«, sagte Ryan. В»Es ist deine Entscheidung. Und wie auch immer du dich entscheidest, ich werde mein Bestes tun, um dich zu unterstГјtzen.В«

Sie sagten nicht viel fГјr den Rest des Essens. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, sahen sie eine Weile fern. Riley konnte sich nicht wirklich auf das konzentrieren, was im Fernseher lief. Sie dachte immer wieder darГјber nach, was Agent Crivaro gesagt hatte ...

В»Du musst dich entscheiden, ob du wirklich das Zeug dazu hast, in diesem Programm zu bleiben.В«

Je mehr Riley darГјber nachdachte, desto mehr Zweifel und Unsicherheit fГјhlte sie.

SchlieГџlich musste sie mehr als nur sich selbst berГјcksichtigen. Da waren Ryan, das Baby und sogar Agent Crivaro.

Sie erinnerte sich an etwas anderes, was ihr potentieller Mentor gesagt hatte ...

»Ich habe viele Fäden gezogen, um dich in dieses Programm zu bringen.«

Und sie im Programm zu behalten, würde Crivaros Leben nicht einfacher machen. Er würde wahrscheinlich immer wieder bei Kollegen unter Beschuss geraten, die der Meinung waren, dass Riley nicht dorthin gehörte, besonders wenn sie nicht seinen Erwartungen entsprach.

Und sie war heute seinen Erwartungen mit Sicherheit nicht gerecht geworden.

Irgendwann ging Ryan unter die Dusche und dann ins Bett. Riley saГџ auf der Couch und dachte weiter Гјber ihre Entscheidungen nach.

Schließlich nahm sie einen Notizblock und begann, ein Rücktrittsschreiben an Hoke Gilmer, den Ausbilder, zu verfassen. Sie war überrascht, wie viel besser sie sich fühlte, als sie den Brief weiterschrieb. Als sie am Ende angekommen war, fühlte sie sich, als wäre ihr eine Last von den Schultern genommen worden.

Das ist die richtige Entscheidung, dachte sie.

Sie würde morgen früh aufstehen, Ryan von ihrer Entscheidung erzählen, ihren Brief in seinen Computer eingeben, ihn dann ausdrucken und mit der Morgenpost versenden. Sie würde auch einen Anruf bei Agent Crivaro machen, der sicherlich erleichtert wäre.

SchlieГџlich ging sie ins Bett und fГјhlte sich viel besser. Sie hatte keine Probleme damit, einzuschlafen.



Riley war dabei, das J. Edgar Hoover Building zu betreten.

Was mache ich hier? fragte sie sich.

Dann bemerkte sie den Notizblock in der Hand, auf dem sie ihren Brief geschrieben hatte.

Oh, ja, erkannte sie.

Ich bin hierhergekommen, um ihn Agent Gilmer persönlich zu übergeben.

Sie nahm den Aufzug, fuhr drei Stockwerke hinunter und ging dann in das Auditorium, wo sich gestern die Praktikanten getroffen hatten.

Zu ihrem Entsetzen saßen alle Praktikanten in dem Hörsaal und beobachteten jede ihrer Bewegungen. Agent Gilmer stand an der Vorderseite des Auditoriums und sah sie mit verschränkten Armen an.

В»Was wollen Sie, Sweeney?В«, fragte Gilmer und klang viel strenger als gestern, als er mit der Gruppe gesprochen hatte.

Riley blickte auf die Praktikanten, die sie schweigend mit anklagenden Blicken anstarrten.

Dann sagte sie zu Gilmer: В»Ich werde ihre Zeit nicht lange beanspruchen. Ich muss Ihnen nur das hier geben.В«

Sie Гјberreichte ihm den gelben Notizblock.

Gilmer setzte seine Lesebrille auf, um auf den Block zu schauen.

В»Was ist das?В«, fragte er.

Riley Г¶ffnete ihren Mund, um zu sagen ...

В»Es ist mein RГјcktrittsgesuch von dem Programm.В«

Aber stattdessen kamen andere Worte aus ihrem Mund ...

»Ich, Riley Sweeney, schwöre feierlich, dass ich die Verfassung der Vereinigten Staaten unterstützen und verteidigen werde ...«

Zu ihrem Entsetzen wurde ihr klar, dass sie ...

Ich rezitiere den Amtseid des FBI.

Und sie konnte sich nicht zurГјckhalten.

»... dass ich gleichen treuen Glauben und der gleichen Loyalität treu bleiben werde ...«

Gilmer zeigte auf den Notizblock und fragte noch einmal ...

В»Was ist das?В«

Riley wollte immer noch erklären, was es wirklich war, aber die Worte des Eides strömten weiter aus ...

В»... Ich nehme diese Verpflichtung freiwillig wahr, ohne mentalen Vorbehalt oder Zweck der Umgehung ...В«

Gilmers Gesicht verwandelte sich in ein anderes Gesicht.

Es war Jake Crivaro und er sah wГјtend aus. Er wedelte mit dem Notizblock vor ihrem Gesicht.

В»Was ist das?В«, knurrte er.

Riley war Гјberrascht zu sehen, dass dort Гјberhaupt nichts geschrieben stand.

Sie hörte alle anderen Praktikanten laut murmeln, den gleichen Eid sprechen, aber in einem konfusen Wirrwarr von Stimmen.

In der Zwischenzeit näherte sie sich dem Ende des Eides ...

В»... werde ich die Pflichten des Amtes, in das ich eintreten werde, gut und treu erfГјllen. So wahr mir Gott helfe.В«

Crivaro schien jetzt zu brodeln.

В»Was zum Teufel ist das?В«, schrie er und zeigte auf das leere gelbe Papier.

Riley versuchte, es ihm zu sagen, aber es kamen keine Worte heraus.



Rileys Augen schlugen auf, als sie ein unbekanntes Summen hörte.

Sie lag neben Ryan im Bett.

Das war ein Traum, wurde ihr klar.

Aber der Traum bedeutete definitiv etwas. Tatsächlich bedeutete es alles. Sie hatte einen Eid abgelegt und sie konnte ihn nicht zurücknehmen. Was bedeutete, dass sie nicht aus dem Programm aussteigen konnte. Es war kein rechtliches Problem. Es war persönlich. Es war eine Frage des Prinzips.

Aber was ist, wenn ich rausgeschmissen werde?

Was soll ich dann tun?

In der Zwischenzeit fragte sie sich − was war das für ein summendes Geräusch, das sich immer und immer wieder wiederholte?

Noch im Halbschlaf, stöhnte und murmelte Ryan ...

В»Geh an dein verdammtes Telefon, Riley.В«

Dann erinnerte sich Riley an das Handy, das ihr gestern im FBI-Gebäude gegeben worden war. Sie fummelte auf dem Beistelltisch herum, bis sie es fand, dann kletterte sie aus dem Bett, nahm es mit aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich.

Es dauerte einen Moment, bis sie herausfand, welche Taste sie drücken musste, um den Anruf anzunehmen. Als es ihr schließlich gelang, hörte sie eine vertraute Stimme.

В»Sweeney? Habe ich dich geweckt?В«

Es war Agent Crivaro, der nicht allzu freundlich klang.

В»Nein, natГјrlich nichtВ«, sagte Riley.

В»LГјgnerin. Es ist fГјnf Uhr morgens.В«

Riley seufzte tief. Sie merkte, dass sie sich krank fГјhlte.

Crivaro sagte: В»Wie lange wird es dauern, bis du wach und angezogen bist?В«

Riley dachte einen Moment nach und sagte dann: »Ähm, fünfzehn Minuten, schätze ich.«

В»Ich bin in zehn Minuten da. Triff mich auf der StraГџe vor deinem Wohnhaus.В«

Crivaro beendete das Gespräch ohne ein weiteres Wort.

Was will er von mir? fragte sich Riley.

Kommt er hierher, um mich persönlich zu feuern?

Plötzlich spürte sie eine aufsteigende Welle von Übelkeit. Sie wusste, dass es ihre morgendliche Übelkeit war − das Schlimmste, was sie bisher während ihrer Schwangerschaft erlebt hatte.

Sie ließ ein Stöhnen los und dachte ....

Genau das, was ich im Moment brauche.

Dann eilte sie auf die Toilette.




KAPITEL SECHS


Als Jake Crivaro an ihrem Wohnhaus ankam, wartete Riley Sweeney bereits drauГџen. Jake bemerkte, dass sie mehr als ein wenig blass aussah, als sie in das Auto stieg.

В»Geht es dir nicht gut?В«, fragte er.

В»Alles okayВ«, sagte Riley.

Sie sieht nicht gut aus, dachte Jake. Sie klingt auch nicht gut.

Jake fragte sich, ob sie vielleicht gestern Abend zu sehr gefeiert hatte. Diese jungen Praktikanten taten das manchmal. Oder vielleicht hatte sie einfach zu viel getrunken, direkt zu Hause. Sie schien definitiv entmutigt, als er sie gestern abgesetzt hatte − und das war kein Wunder, nachdem er ihr den Marsch geblasen hatte. Vielleicht hatte sie versucht, ihre Sorgen zu ertränken.

Jake hoffte, dass sein SchГјtzling keinen allzu groГџen Kater hatte, um bei der Sache zu sein.

Als er sich von dem Gebäude entfernte, fragte Riley ...

В»Wohin fahren wir?В«

Jake zögerte einen Moment lang.

Dann sagte er: В»Schau, wir fangen heute noch mal von vorne an.В«

Riley sah ihn mit einem vagen Гјberraschten Gesichtsausdruck an.

Er fuhr fort: »Die Wahrheit ist, was du gestern getan hast − nun, es war kein komplettes Versagen. Du hast das Drogengeld der Madison-Brüder gefunden. Und dieses Wegwerf-Handy erwies sich als sehr nützlich. Es enthielt einige wichtige Telefonnummern, die es den Polizisten ermöglichten, ein paar Bandenmitglieder zusammenzutreiben − darunter Malik Madison, den Bruder, der noch auf freiem Fuß war. Es war dumm von ihnen, ein Prepaid-Telefon zu kaufen und es nach Gebrauch nicht zu entsorgen. Aber ich schätze, sie dachten einfach, niemand würde es finden.«

Er blickte auf die StraГџe und fГјgte hinzu: В»Da lagen sie falsch.В«

Riley starrte ihn einfach immer wieder an, als hätte sie Schwierigkeiten zu verstehen, was er sagte.

Jake widersetzte sich dem Impuls zu sagen ...

В»Es tut mir wirklich leid, dass ich es dir so schwer gemacht habe.В«

Stattdessen sagte er: В»Aber du musst den Anweisungen folgen. Und du musst die Vorgehensweise respektieren.В«

В»Ich versteheВ«, sagte Riley mГјde. В»Danke, dass Sie mir noch eine Chance geben.В«

Jake knurrte unter seinem Atem. Er erinnerte sich daran, dass er dem Kind nicht zu viel UnterstГјtzung zuteilwerden lassen wollte.

Aber er fГјhlte sich schlecht, weil er sie gestern so behandelt hatte.

Ich habe deswegen Гјberreagiert, dachte er.

Er hatte einige Kollegen in Quantico verärgert, als er darauf drängte, Riley in das Programm aufzunehmen. Ganz besonders ein Agent, Toby Wolsky, hatte sich gewünscht, dass sein Neffe Jordan in diesem Sommer als Praktikant dabei sein würde, aber Jake hatte Riley anstelle seines Neffen reingeholt. Er hatte seine beachtlichen Erfahrungen in diese Bemühungen gesteckt und ein paar Gefallen eingefordert.

Jake hielt nicht viel von Wolsky als Agent und er hatte keinen Grund zu glauben, dass sein Neffe das nötige Potenzial hatte, um es mal so zu sagen. Aber Wolsky hatte Freunde in Quantico, die nun sauer auf Jake waren.

In gewisser Weise konnte Jake verstehen, warum.

Ihrer Meinung nach war Riley nur eine gewöhnliche Hochschulabsolventin mit einem Abschluss in Psychologie, die nie auch nur daran gedacht hatte, in die Strafverfolgung einzusteigen.

Und die Wahrheit war, Jake wusste auch nicht viel mehr über sie − außer, dass er ihre Instinkte bei der Arbeit erlebt hatte, hautnah und persönlich. Er erinnerte sich lebhaft daran, wie leicht sie die Gedanken des Mörders in Lanton verstanden hatte, nach nur einem kleinen Coaching durch ihn. Abgesehen von sich selbst hatte Jake selten jemanden mit solchen Instinkten getroffen − Einsichten, die nur wenige andere Agenten überhaupt verstehen konnten.

Natürlich konnte er die Möglichkeit nicht ausschließen, dass das, was sie in Lanton getan hatte, nicht mehr als ein Zufall gewesen war.

Vielleicht wГјrde er heute eine bessere Vorstellung davon bekommen, was sie in der Lage war zu tun.

Riley fragte noch einmal ...

В»Wohin fahren wir?В«

В»Zu einem TatortВ«, sagte Jake.

Er wollte ihr nicht mehr sagen, bis sie dort ankamen.

Er wollte beobachten, wie sie auf eine wirklich bizarre Situation reagierte.

Und soweit er gehört hatte, war dieser Tatort so bizarr wie es ein Tatort nur sein konnte. Er war erst vor kurzem selbst darüber informiert worden und hatte immer noch Schwierigkeiten, das zu glauben, was ihm gesagt worden war.

Wir werden sehen, was es zu sehen gibt, schätze ich.



*



Riley fand, dass es ihr etwas besser ging, seit sie mit Agent Crivaro zusammen im Auto saГџ.

Dennoch wГјnschte sie sich, er wГјrde ihr sagen, worum es hier ging.

Ein Tatort, hatte er gesagt.

Das war mehr, als sie von dem Sommer-Programm erwartet hatte в€’ besonders an ihrem zweiten Tag. Der gestrige Tag war schon unerwartet genug gewesen.

Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte.

Aber sie war sich ziemlich sicher, dass Ryan die Idee Гјberhaupt nicht gefallen wГјrde.

Ihr fiel ein, dass sie Ryan noch nicht gesagt hatte, dass Jake Crivaro ihr Mentor war, dem sie wie ein Schatten folgen würde. Ryan würde auch das nicht gutheißen. Ryan hatte Crivaro von Anfang an misstraut, vor allem, weil er Riley geholfen hatte, einen Blick in den Kopf eines Mörders zu werfen.

Sie erinnerte sich, was Ryan Гјber eine dieser Episoden gesagt hatte ...

В»Willst du mir sagen, dass der FBI-Typ Crivaro mit dir Gedankenspiele gespielt hat? Warum? Nur zum SpaГџ?В«

Natürlich wusste Riley, dass Crivaro sie das alles nicht ›nur zum Spaß‹ hatte durchmachen lassen.

Er hatte es völlig ernst gemeint. Diese Erfahrungen waren absolut notwendig gewesen.

Sie hatten dazu beigetragen, dass der Mörder schließlich gefasst werden konnte.

Aber was erwartet mich jetzt? fragte sich Riley.

Crivaro schien sich bewusst kryptisch auszudrГјcken.

Als er das Auto entlang einer Straße mit Häusern auf der einen Seite und einem offenen Feld auf der anderen Seite parkte, sah sie, dass ein paar Polizeiautos und ein Polizeitransporter in der Nähe geparkt waren.

Bevor sie das Auto verlieГџen, wedelte Crivaro mit dem Finger und sagte zu ihr ....

В»Denk an die verdammten Regeln. Fass nichts an. Und sprich nicht, es sei denn, man spricht dich an. Du bist nur hier, um den Rest von uns bei der Arbeit zu beobachten.В«

Riley nickte. Aber etwas in Crivaros Stimme ließ sie vermuten, dass er von ihr etwas mehr erwartete, als nur untätig zuzusehen.

Sie wünschte, sie wüsste, was dieses Etwas sein könnte.

Riley und Crivaro stiegen aus dem Auto und gingen auf das Feld. Es war mit Abfällen übersät, als ob hier vor kurzem eine Art großes öffentliches Ereignis stattgefunden hätte.

Andere Leute, einige in Polizeiuniformen, standen in der Nähe eines Wäldchens mit Bäumen und Sträuchern. Ein großer Bereich um sie herum war mit gelbem Polizeiband abgesperrt.

Als Riley und Crivaro sich der Gruppe näherten, wurde ihr klar, dass die Büsche etwas verborgen hatten, was auf dem Boden lag.

Riley keuchte, nachdem sie gesehen hatte, was es war.

Гњbelkeit stieg wieder in ihrem Hals hoch.

Dort auf dem Boden lag ein toter Zirkus-Clown.




KAPITEL SIEBEN


Riley wurde es so schwindelig, dass sie dachte, sie würde ohnmächtig werden.

Sie schaffte es, auf den Beinen zu bleiben, aber dann machte sie sich Sorgen, dass sie sich Гјbergeben wГјrde, wie sie es heute Morgen in ihrer Wohnung getan hatte.

Das kann nicht echt sein, dachte sie.

Das muss ein Alptraum sein.

Die Polizisten und andere Leute standen um eine Leiche herum, die mit einem kompletten Clown-Kostüm bekleidet war. Der Anzug war bauschig und farbenfroh mit riesigen Pompons als Knöpfe. Ein Paar überdimensionale Schuhe rundeten das Kostüm ab.

Das grellweiße Gesicht hatte ein bizarr aufgemaltes Lächeln, eine leuchtend rote Nase und übertriebene Augen und Augenbrauen. Eine riesige rote Perücke umrahmte das Gesicht. Eine Segeltuchplane bündelte sich neben der Leiche.

Es dämmerte Riley, dass es sich bei der Leiche um den Körper einer Frau handelte.

Nun, da sich ihr Kopf klärte, bemerkte sie einen deutlichen und unangenehmen Geruch in der Luft. Als sie sich in der Gegend umsah, bezweifelte sie, dass der Geruch von der Leiche stammte − oder zumindest nicht viel davon. Überall war Müll verstreut. Die Morgensonne brachte den Geruch verschiedener Arten von menschlichen Rückständen hervor.

Ein Mann in einer weißen Jacke kniete neben dem Körper nieder und studierte ihn sorgfältig. Crivaro stellte ihn als Victor Dahl, den Gerichtsmediziner des D.C., vor.

Crivaro schГјttelte den Kopf und sagte zu Dahl: В»Das ist noch unheimlicher, als ich erwartet hatte.В«

Dahl stand auf und sagte: В»Ja, unheimlich. Und es ist genauso wie bei dem letzten Opfer.В«

Riley dachte ...

Dem letzten Opfer?

Wurde vor diesem hier noch ein weiterer Clown getötet?

»Ich wurde auch erst vor kurzem darüber informiert«, sagte Crivaro zu Dahl und den Polizisten. »Vielleicht könnt ihr meiner Praktikantin erklären, worum es hier geht. Ich bin vielleicht selbst nicht ganz auf dem Laufenden über diesen Fall.«

Dahl sah Riley an und zögerte einen Moment lang. Riley fragte sich, ob sie so krank aussah, wie sie sich fühlte. Aber dann begann der Gerichtsmediziner zu erklären.

В»Samstagmorgen wurde eine Leiche in der Gasse hinter einem Kino gefunden. Das Opfer war eine junge Frau namens Margo Birch в€’ und sie war angezogen und geschminkt wie dieses Opfer. Die Polizei hielt es fГјr einen seltsamen Mord, aber fГјr einen Einzelfall. Dann tauchte letzte Nacht diese Leiche auf. Eine andere junge Frau, genauso angemalt und gekleidet.В«

Da realisierte Riley, dass das hier kein echter Clown war. Es war eine junge Frau, die als Clown angezogen worden war. Zwei Frauen waren auf diese Art und Weise bizarr gekleidet, geschminkt und ermordet worden.

Crivaro fГјgte hinzu: В»Und dadurch wurde es ein FBI-Fall und wir wurden gerufen.В«

»Das ist richtig«, sagte Dahl und schaute sich auf dem von Unrat übersäten Feld um. »Hier fand vor ein paar Tagen ein Jahrmarkt statt. Er ist am Samstag weitergezogen. Von dort stammt dieser ganze Müll − das Gelände wurde noch nicht aufgeräumt. Gestern Abend kam ein Typ aus der Nachbarschaft mit einem Metalldetektor hierher und suchte nach Münzen, die die Leute während des Rummels möglicherweise verloren hatten. Er fand die Leiche, die zu diesem Zeitpunkt mit der Plane bedeckt war.«

Riley drehte sich um und sah, dass Crivaro sie genau beobachtete.

Vergewisserte er sich nur, dass sie sich an seine Anweisungen hielt?

Oder beobachtete er ihre Reaktionen?

Sie fragte: В»Wurde diese Frau bereits identifiziert?В«

Einer der Polizisten sagte: В»Noch nicht.В«

Crivaro fügte hinzu: »Wir konzentrieren uns auf die Vermisstenanzeige einer bestimmten Person. Gestern Morgen wurde eine professionelle Fotografin namens Janet Davis als vermisst gemeldet. Sie hatte am Vorabend im Lady-Bird-Johnson-Park Fotos gemacht. Die Polizei geht der Frage nach, ob sie das sein könnte. Agent McCune stattet ihrem Mann gerade einen Besuch ab. Vielleicht kann er uns helfen, sie zu identifizieren.«

Riley hörte Geräusche von Fahrzeugen, die in der Nähe auf der Straße hielten. Sie schaute auf und sah, dass ein paar Nachrichtenwagen von Fernsehsendern vorgefahren waren.

В»VerdammtВ«, sagte eine der Polizisten. В»Wir hatten es bisher geschafft, die Sache mit der Clown-Verkleidung bei dem anderen Mord geheim zu halten. Sollen wir sie wieder bedecken?В«

Crivaro gab ein verärgertes Brummen von sich, als eine Nachrichtencrew mit einer Kamera und einem Galgenmikrofon aus einem der Vans strömte. Die Crew eilte auf das Feld hinaus.

»Dafür ist es zu spät«, sagte er. »Sie haben das Opfer bereits gesehen.«

Als sich andere Medienfahrzeuge näherten, mobilisierten Crivaro und der Gerichtsmediziner die Polizisten, um zu versuchen, die Reporter so weit wie möglich von dem Absperrband der Polizei fernzuhalten.

In der Zwischenzeit sah sich Riley das Opfer an und fragte sich ...

Wie ist sie gestorben?

Im Moment gab es niemanden, den sie hätte fragen können. Alle waren damit beschäftigt, sich um die Reporter zu kümmern, die lautstark Fragen stellten.

Riley beugte sich vorsichtig über den Körper und erinnerte sich selbst ...

Fass nichts an.

Riley sah, dass die Augen und der Mund des Opfers offen waren. Sie hatte den gleichen verängstigten Ausdruck schon einmal gesehen.

Sie erinnerte sich nur allzu gut daran, wie ihre zwei Freundinnen damals in Lanton ausgesehen hatten, nachdem man ihnen die Kehlen aufgeschlitzt hatte. Vor allem erinnerte sie sich an die erstaunlichen Mengen an Blut auf den Böden der Wohnheimzimmer, als sie ihre Körper gefunden hatte.

Aber hier war kein Blut.

Sie sah einige kleine Schnitte im Gesicht und Hals der Frau, die sich durch das weiГџe Make-up zeigten.

Was bedeuteten diese Einschnitte? Sie waren sicherlich nicht groß genug, um tödlich zu sein.

Sie bemerkte auch, dass das Make-up wenig sorgfältig und linkisch aufgemalt worden war.

Sie hat es sich nicht selbst aufgelegt, dachte sie.

Nein, jemand anderes hatte das getan, vielleicht gegen den Willen des Opfers.

Dann spürte Riley eine seltsame Veränderung in ihrem Bewusstsein − etwas, das sie seit diesen schrecklichen Tagen in Lanton nicht mehr gespürt hatte.

Ihre Haut kribbelte, als sie erkannte, was fГјr ein GefГјhl das war.

Sie begann, sich in den Kopf des Mörders zu versetzen.

Er hatte sie so gekleidet, dachte sie.

Er hatte ihr wahrscheinlich das KostГјm angezogen, als sie schon tot war, aber sie war noch bei Bewusstsein gewesen, als er ihr Gesicht mit der Schminke beschmiert hatte. Nach ihren toten, offenen Augen zu urteilen, war sie sich nur allzu bewusst gewesen, was mit ihr geschah.

Und er hatte es genossen, dachte sie. Hatte sich an ihrer Angst erfreut, während er sie anmalte?

Riley verstand jetzt auch die kleinen Schnitte.

Er hatte sie mit einem Messer geneckt.

Sie verspottet und sich fragen lassen, wie er sie töten würde.

Riley keuchte und stand auf. Sie fühlte eine weitere Welle von Übelkeit und Schwindel und wäre fast wieder hingefallen, aber jemand fing sie am Arm ab.

Sie drehte sich um und sah, dass Jake Crivaro sie vor einem Sturz bewahrt hatte.

Er schaute ihr direkt in die Augen. Riley wusste, dass er genau verstand, was sie gerade erlebt hatte.

Mit einer heiseren, entsetzten Stimme sagte sie ihm ...

В»Er hat sie zu Tode erschreckt. Sie starb an ihrer Angst.В«

Riley hörte, dass Dahl einen überraschten Schrei ausstieß.

В»Wer hat Ihnen das gesagt?В«, fragte Dahl und ging auf Riley zu.

Crivaro sagte zu ihm: В»Niemand hat es ihr gesagt. Ist dem denn so?В«

Dahl zuckte ein wenig mit den Schultern.

»Vielleicht. Oder so etwas in der Art, wenn es so wie bei dem anderen Opfer ist. Margo Birchs Blutkreislauf wurde mit Amphetaminen vollgepumpt, einer tödlichen Dosis, die ihr Herz zum Stehen brachte. Diese arme Frau muss bis zum Augenblick ihres Todes eine entsetzliche Angst gehabt haben. Wir müssen toxikologische Untersuchungen bei diesem neuen Opfer durchführen, aber ...«

Seine Stimme brach ab und dann fragte er Riley: В»Woher wussten Sie das?В«

Riley hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte.

Crivaro sagte: В»Es ist das, was sie tut. Deshalb ist sie hier.В«

Riley erschauderte zutiefst bei diesen Worten.

Ist es wirklich etwas, worin ich gut sein will? fragte sie sich selbst.

Sie fragte sich, ob sie vielleicht doch dieses Kündigungsschreiben hätte einreichen sollen.

Vielleicht sollte sie nicht hier sein.

Vielleicht sollte sie damit nichts zu tun haben.

Sie war sich einer Sache sicher в€’ Ryan wГјrde entsetzt sein, wenn er wГјsste, wo sie gerade war und was sie tat.

Crivaro fragte Dahl: »Wie schwer wäre es für den Mörder, an dieses spezielle Amphetamin zu gelangen?«

В»LeiderВ«, antwortete der Gerichtsmediziner, В»kann man es leicht auf der StraГџe kaufen.В«

Crivaros Telefon klingelte. Er blickte auf das Display. В»Es ist Agent McCune. Ich muss da rangehen.В«

Crivaro trat zurück und sprach in sein Handy. Dahl starrte Riley weiterhin an, als wäre sie eine Art Freak.

Vielleicht hat er ja recht, dachte sie.

In der Zwischenzeit konnte sie einige der Fragen hören, die die Reporter stellten.

В»Ist es wahr, dass Margo Birch auf die gleiche Weise ermordet wurde?В«

В»War Margo Birch genauso gekleidet und geschminkt?В«

»Warum zieht dieser Mörder seine Opfer wie Clowns an?«

»Ist das das Werk eines Serienmörders?«

В»Wird es noch mehr Clown-Morde geben?В«

Riley erinnerte sich an das, was eine der Polizisten gerade gesagt hatte ...

В»Wir hatten es bisher geschafft, die Sache mit der Clown-Verkleidung bei dem anderen Mord geheim zu halten.В«

Offensichtlich hatten sich bereits Gerüchte verbreitet. Und jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, die Wahrheit geheim zu halten.

Die Polizei versuchte, so wenig wie möglich auf die Fragen zu antworten. Aber Riley erinnerte sich daran, wie aggressiv die Reporter in Lanton gewesen waren. Sie verstand nur allzu gut, warum Jake und die Polizisten nicht glücklich darüber waren, dass diese Reporter aufgetaucht sind. Die Presse würde ihre Arbeit nicht einfacher machen.

Crivaro kam zurГјck zu Riley und Dahl und steckte sein Handy in die Tasche.

»McCune hat gerade mit dem Mann der vermissten Frau gesprochen. Der arme Kerl ist krank vor Sorge, aber er hat McCune etwas gesagt, das hilfreich sein könnte. Er sagte, sie hat einen Leberfleck direkt hinter ihrem rechten Ohr.«

Dahl beugte sich nach unten und schaute hinter das Ohr des Opfers.

В»Sie ist esВ«, sagte er. В»Wie war noch mal ihr Name?В«

В»Janet DavisВ«, sagte Crivaro.

Dahl schüttelte den Kopf. »Nun, zumindest haben wir das Opfer identifiziert. Wir können sie genauso gut hier wegschaffen. Ich wünschte, wir müssten uns nicht mit der Leichenstarre herumschlagen.«

Riley beobachtete, wie Dahls Team die Leiche auf eine Trage lud. Es war ein unbeholfenes Unterfangen. Der Körper war steif wie eine Statue und die geschwollenen, bekleideten Gliedmaßen erstreckten sich in alle Richtungen und ragten unter dem weißen Laken, das ihn bedeckte, hervor.

Nunmehr sprachlos glotzten die Reporter mit starrem Blick, als die Trage Гјber das Feld rГјttelte und mit seiner grotesken Last auf den Transporter des Gerichtsmediziners zusteuerte.

Als die Leiche in dem Transporter verschwunden war, drängten Riley und Crivaro an den Reportern vorbei und machten sich auf den Weg zurück zu ihrem eigenen Fahrzeug.

Als Crivaro sie davonfuhr, fragte Riley, wohin sie als Nächstes fahren würden.

»Zum Hauptquartier«, sagte Crivaro. »McCune hat mir erzählt, dass einige Polizisten nach Janet Davis im Lady-Bird-Johnson-Park gesucht haben, wo man sie nach ihrem Verschwinden vermutete. Sie haben ihre Kamera gefunden. Sie muss sie fallen gelassen haben, als sie entführt wurde. Die Kamera ist jetzt im FBI-Hauptquartier. Lass uns sehen, was die Techniker darüber herausfinden konnten. Vielleicht haben wir Glück und es gibt uns einige Hinweise.«

Dieses Wort erschГјtterte Riley ...

В»GlГјck.В«

Es schien ein seltsames Wort zu sein, im Zusammenhang mit etwas, das so unglaublich unglГјcklich war wie der Mord an einer Frau.

Aber Crivaro hatte offensichtlich gemeint, was er sagte. Sie fragte sich, wie hartgesotten man sein musste, wenn man diese Arbeit so viele Jahre lang gemacht hatte, wie er.

War er völlig immun gegen diesen Horror?

Sie konnte das nicht an seinem Tonfall erkennen, als er weitersprach ...

»Außerdem ließ Janet Davis� Mann McCune Fotos durchsehen, die sie in den letzten Monaten gemacht hatte. McCune fand ein paar Fotos, die in einem Kostümverleih gemacht wurden.«

Riley spГјrte einen Hauch von Interesse.

Sie fragte: В»Sie meinen die Art von Laden, in dem Clown-KostГјme verkauft werden?В«

Crivaro nickte. В»Klingt interessant, nicht wahr?В«

В»Aber was bedeutet das?В«, fragte Riley.

Crivaro sagte: В»Das ist schwer zu sagen в€’ auГџer, dass Janet Davis sich genug fГјr KostГјme interessierte, um sie zu fotografieren. Ihr Mann hat sich daran erinnert, dass sie darГјber gesprochen hat, aber sie hat ihm nicht gesagt, wo sie die Aufnahmen gemacht hat. McCune versucht jetzt herauszufinden, in welchem Laden die Bilder entstanden sind. Dann wird er mich anrufen. Es sollte nicht lange dauern.В«

Crivaro schwieg fГјr einen Moment.

Dann blickte er zu Riley hinГјber und fragte: В»Wie geht es dir?В«

В»GutВ«, sagte Riley.

В»Bist du sicher?В«, fragte Crivaro. В»Du siehst etwas blass aus, so, als ob es dir nicht gut geht.В«

Es stimmte natГјrlich. Die MorgenГјbelkeit und der Schock dessen, was sie gerade gesehen hatte, setzten ihr definitiv zu. Aber das Letzte auf der Welt, was sie Crivaro sagen wollte, war, dass sie schwanger war.

В»Mir geht es gutВ«, beharrte Riley.

Crivaro sagte: »Ich nehme an, du hast ein Bauchgefühl in Bezug auf den Mörder.«

Riley nickte schweigend.

»Noch etwas, das ich wissen sollte − abgesehen von der Möglichkeit, dass er das Opfer zu Tode erschreckt hat?«

В»Nicht vielВ«, sagte Riley. В»Nur, dass er ein ...В«

Sie zögerte und fand dann das Wort, nach dem sie suchte. »Sadist ist.«

Als sie schweigend weiterfuhren, erinnerte sich Riley an den Anblick der Leiche, die sich auf der Trage spreizte. Sie spГјrte ein Wiederaufleben des Entsetzens, dass das Opfer auch noch im Tod eine solche DemГјtigung und Erniedrigung erleiden musste.

Sie fragte sich, welche Art von Monster sich das bei irgendjemandem wГјnschen wГјrde.

So nah sie sich dem Mörder für einen Moment gefühlt hatte, wusste sie, dass sie nicht anfangen konnte, die kranken Funktionen seines Geistes zu verstehen.

Und sie war sich auch ganz sicher, dass sie das nicht wollte.

Aber war es das, was auf sie zukam, bevor dieser Fall abgeschlossen war?

Und was passierte danach?

Wird so mein Leben aussehen?




KAPITEL ACHT


Als Riley und Crivaro in das saubere, klimatisierte J. Edgar Hoover Building gingen, fühlte sie immer noch die Abscheulichkeit des Tatortes an sich haften. Es war, als wäre der Schrecken in ihre Poren eingedrungen. Wie würde sie das jemals abschütteln können − vor allem den Geruch?

Während der Fahrt hatte Crivaro Riley versichert, dass der Geruch, den sie auf dem Gelände bemerkt hatte, nicht von der Leiche kam. Wie Riley vermutet hatte, war es nur der Müll, der vom Rummel liegen geblieben war. Janet Davis� Körper war nicht lange genug tot gewesen, um solch einen Geruch zu produzieren, so wie auch die Leichen von Rileys ermordeten Freundinnen seinerzeit in Lanton.

Riley hatte den Gestank einer verwesenden Leiche noch nicht erfahren mГјssen.

Crivaro hatte gesagt, als sie fuhren ...

В»Du wirst es erkennen, wenn du es riechst.В«

Es war nichts, worauf sich Riley freute.

Wieder fragte sie sich ...

Was denke ich, was ich hier mache?

Sie und Crivaro nahmen einen Aufzug zu einem Stockwerk, das Dutzende von forensischen Labors beherbergte. Sie folgte Crivaro einen Gang hinunter, bis sie in einen Raum mit einem Schild mit der Aufschrift ›DUNKELKAMMER‹ kamen. Ein schlaksiger, langhaariger junger Mann stand neben der Tür.

Crivaro stellte sich und Riley dem Mann vor, der nickte und sagte: В»Ich bin Charlie Barrett, forensischer Techniker. Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen. Ich mache eine Pause, nachdem ich die Negative aus der Kamera verarbeitet habe, die im Lady-Bird-Johnson-Park gefunden wurde. Ich wollte gerade wieder hineingehen, um ein paar AbzГјge zu machen. Kommen Sie herein.В«

Charlie fГјhrte Riley und Crivaro einen kurzen Flur entlang, der in bernsteinfarbenes Licht getaucht war. Dann gingen sie durch eine zweite TГјr in einen Raum, der mit dem gleichen seltsamen Licht Гјberflutet war.

Das erste, was Riley auffiel, war der scharfe, beiГџende Geruch von Chemikalien.

MerkwГјrdigerweise fand sie den Geruch Гјberhaupt nicht unangenehm.

Stattdessen schien er fast ...

Reinigend, erkannte Riley.

Zum ersten Mal seit sie den Tatort verlassen hatte, war dieser anhaftende, saure Gestank von MГјll verschwunden.

Sogar der Schrecken nahm etwas ab und Rileys Гњbelkeit verschwand.

Es war eine echte Erleichterung.

Riley blickte durch das schwache, fremdartige Licht und war fasziniert von der aufwändigen Ausstattung.

Charlie hielt einen Karton mit Bildreihen hoch und untersuchte diese im schwachen Licht.

»Hier sind die Abzüge«, sagte er. »Es sieht so aus, als wäre sie eine verdammt gute Fotografin gewesen. Eine Schande, was mit ihr passiert ist.«

Als Charlie die Filmstreifen auf einem Tisch auslegte, erkannte Riley, dass sie noch nie zuvor in einer Dunkelkammer gewesen war. Ihre eigenen Filmrollen hatte sie immer in eine Drogerie gebracht, um sie zu entwickeln zu lassen. Ryan und einige ihrer Freunde hatten sich kürzlich Digitalkameras gekauft, die überhaupt keinen Film benötigten.

Janet Davis� Mann hatte McCune erzählt, dass seine Frau beide Arten von Kameras zum Fotografieren benutzt hatte. Sie hatte es bevorzugt, für ihre professionelle Arbeit eine Digitalkamera zu verwenden. Aber sie betrachtete die Aufnahmen, die sie in dem Park machte als Kunst und hatte dafür ihre Lieblingskamera dabeigehabt.

Riley dachte, dass Charlie auch ein KГјnstler zu sein schien, ein wahrer Meister dessen, was er tat. Sie fragte sich ...

Ist das eine aussterbende Kunst?

WГјrde all diese fachkundige Arbeit mit Folien, Papier, Instrumenten, Thermometern, Zeitschaltuhren, Ventilen und Chemikalien eines Tages genauso aussterben wie die Schmiedekunst?

Wenn ja, dann war das ziemlich traurig.

Charlie begann, einzelne Fotoabzüge zu machen, indem er das Negativ auf ein Stück Fotopapier aufweitete, dann das Papier langsam in einem Becken mit sich entwickelnder Flüssigkeit einweichen ließ, gefolgt von weiterem Einweichen in einem, wie Charlie es nannte, ›Unterbrecherbad‹ und einem ›Fixierbad‹. Dann erfolgte eine lange Spülung unter Leitungswasser in einem Stahlbecken. Schließlich hängte Charlie die Bilder mit Clips an einen drehbaren Ständer.

Es war ein langsamer Prozess − und ein stiller. Die Stille wurde nur durch die tröpfelnden Geräusche der Flüssigkeit, das Schlurfen der Füße und ein paar Worte unterbrochen, die von Zeit zu Zeit in einem fast respektvollen Flüstern gesprochen wurden. Es fühlte sich einfach nicht richtig an, hier laut zu reden.

Riley fand die Stille und die Langsamkeit fast unheimlich beruhigend nach der lärmenden Unordnung am Tatort, als die Polizisten darum gekämpft hatten, die Reporter in Schach zu halten.

Riley beobachtete verzückt, wie sich die Bilder über mehrere lange Minuten hinweg offenbarten − zunächst gespenstisch und undeutlich, dann schließlich mit scharfer Klarheit und Kontrast, während sie tropfend am Ständer hingen.

Die Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentierten einen ruhigen, friedlichen Abend im Park. Eine zeigte einen Holzsteg, der sich über einen schmalen Wasserweg erstreckte. Eine andere schien anfangs eine Schar von Möwen zu zeigen, die auf dem Weg dorthin waren, aber als das Bild deutlicher in den Fokus rückte, erkannte Riley, dass die Vögel Teil einer großen Statue waren.

Ein weiteres Foto zeigte einen grob gehauenen Steinobelisken mit dem Washington Monument, das weit in der Ferne aufragte. Andere Bilder zeigten Rad- und Wanderwege, die durch Waldgebiete fГјhrten.

Die Bilder waren bei Sonnenuntergang aufgenommen worden und erzeugten weiche graue Schatten, flimmernde Lichthöfe und Silhouetten. Riley konnte sehen, dass Charlie mit seiner Meinung, dass Janet Davis ›eine verdammt gute Fotografin‹ gewesen sei, recht hatte.

Riley spürte auch, dass Janet den Park gut gekannt und ihre Standorte lange im Voraus ausgewählt hatte − und auch die Tageszeit, zu der nur wenige Besucher kamen. Riley sah auf keinem der Fotos eine einzige Person. Es war, als hätte Janet den Park ganz für sich allein gehabt.

Schließlich kamen einige Aufnahmen eines Yachthafens, seiner Docks und Boote und vom Wasser, das im Sonnenuntergang schimmerte. Die sanfte Ruhe der Szene war tatsächlich greifbar. Riley konnte fast das sanfte Klatschen des Wassers und die Schreie der Vögel hören, konnte fast die Berührung der kühlen Luft auf ihrer Wange spüren.

Dann folgte ein viel weniger harmonischeres Bild.

Auch das zeigte den Yachthafen − oder zumindest dachte Riley, sie könne die Formen von Booten und den Docks erkennen. Aber alles war verschwommen und chaotisch und durcheinander.

Riley erkannte, was in dem Moment passiert sein musste, als dieses Bild aufgenommen worden war ...

Die Kamera wurde ihr aus den Händen gerissen.

Rileys Herz sprang ihr in den Hals.

Sie wusste, dass das Bild in dem Moment aufgenommen worden war, als sich die Welt von Janet Davis für immer veränderte.

In Sekundenbruchteilen hatten sich Ruhe und Schönheit in Hässlichkeit und Schrecken verwandelt.




KAPITEL NEUN


Als Riley auf das verschwommene Bild starrte, fragte sie sich ...

Was passierte dann?

Nachdem die Kamera aus den Händen der Frau geschlagen wurde, was war mit ihr passiert?

Was hatte sie erlebt?

Hatte sie sich gegen ihren Angreifer zur Wehr gesetzt, bis er sie irgendwie unterwarf und fesselte?

War sie während ihrer Tortur bei Bewusstsein geblieben? Oder wurde sie gleich dort, als das Bild aufgenommen wurde, ausgeknockt?

Ist sie dann wieder erwacht und hat das Entsetzen ihrer letzten Momente erleben mГјssen?

Vielleicht spielte es keine Rolle, dachte Riley.

Sie erinnerte sich daran, was der Arzt Гјber die Wahrscheinlichkeit gesagt hatte, dass Janet an einer Гњberdosis Amphetamine gestorben war.

Wenn das stimmte, war sie tatsächlich zu Tode erschrocken gewesen.

Und jetzt blickte Riley auf den eingefrorenen Moment, in dem dieser tödliche Terror vermutlich begonnen hatte.

Sie schauderte tief bei dem Gedanken.

Crivaro zeigte auf das Foto und sagte zu Charlie: »Vergrößern Sie alles. Nicht nur dieses hier, alle Fotos, jeden Quadratzentimeter.«

Charlie kratzte sich am Kopf und fragte: В»Wonach suchen Sie?В«

»Menschen«, sagte Crivaro. »Alle Menschen, die Sie finden können. Janet Davis scheint gedacht zu haben, dass sie allein ist, aber da hat sie sich getäuscht. Jemand lag auf der Lauer und wartete auf sie. Vielleicht − nur vielleicht − hat sie ihn auf einem Foto festgehalten, ohne es zu merken. Wenn Sie überhaupt jemanden finden, dann machen Sie eine Vergrößerung, so deutlich Sie können.«

Obwohl sie das nicht laut sagte, war Riley skeptisch.

Wird Charlie jemanden finden?

Sie hatte das Gefühl, dass der Mörder viel zu clever war, um sich versehentlich fotografieren zu lassen. Sie bezweifelte, dass selbst eine mikroskopische Suche auf den Fotos irgendeine Spur von ihm aufdecken würde.

In diesem Moment brummte Crivaros Handy in seiner Tasche. Er sagte: В»Das muss McCune sein.В«

Riley und Crivaro verlieГџen die Dunkelkammer und Crivaro ging weg, um den Anruf entgegenzunehmen. Er schien begeistert zu sein von dem, was McCune ihm berichtete. Als er den Anruf beendete, rief er Riley zu ...

В»McCune hat den KostГјmverkauf gefunden, in dem Janet Davis Fotos gemacht hat. Er ist auf dem Weg dorthin und sagte, dass er uns dort treffen wird. Lass uns gehen.В«



*



Als Crivaro bei dem Laden namens Costume Romp vorfuhr, war Agent McCune bereits dort und wartete in seinem Auto. Er stieg aus und schloss sich Riley und Crivaro an, als sie sich dem Laden näherten. Für Riley sah es zunächst wie ein eher bescheidenes Ladenlokal aus. Die Schaufenster waren mit Kostümen gefüllt und reichten von einem Vampir und einer Mumie bis hin zu ausgefallenen Kleidungsstücken, die an frühere Jahrhunderte erinnern. Es gab auch ein Uncle-Sam-Kostüm für den kommenden 4. Juli.

Als sie Crivaro und McCune nach innen folgte, war Riley Гјberrascht von der Weite des langen Backsteininneren, das mit Regalen vollgestellt war, die scheinbar Hunderte von KostГјmen, Masken und PerГјcken enthielten.

Der Anblick so vieler Fantasiewelten nahm Riley den Atem. Zu den Kostümen gehörten Piraten, Monster, Soldaten, Prinzen und Prinzessinnen, Wild- und Haustiere, Außerirdische und jede andere Art von Charakter, die sie sich vorstellen konnte.

Es erschöpfte Rileys Gedanken. Schließlich war Halloween nur einmal im Jahr. Gab es wirklich einen ganzjährigen Markt für all diese Kostüme? Wenn ja, was stellten die Leute mit ihnen an?

Es musste eine Menge Kostümfeste geben, schätze ich.

Es kam ihr in den Sinn, dass sie nicht Гјberrascht sein sollte, wenn man bedachte, welchen Horror sie heute Morgen schon gesehen hatte. In einer Welt, in der so schreckliche Dinge geschahen, war es kein Wunder, dass die Menschen in Fantasiewelten flГјchten wollten.

Es war auch nicht verwunderlich, dass eine talentierte Fotografin wie Janet Davis hier gerne fotografiert hatte, inmitten einer so reichen Palette von Motiven. Zweifellos benutzte sie hier echten Film, keine Digitalkamera.

Die Monster-Masken und die Kostüme erinnerten Riley an eine TV-Show, die sie sich in den letzten Jahren angesehen hatte − die Geschichte eines Mädchens im Teenageralter, das gegen Vampire und andere Arten von Dämonen kämpfte und sie besiegte.

In letzter Zeit hatte Riley diese Show jedoch als weniger ansprechend empfunden.

Nachdem sie sich ihrer eigenen Fähigkeit, in den Geist eines Killers einzudringen, bewusst geworden war, schien die Saga eines Mädchens mit Superkräften und Superverpflichtungen nun ein wenig zu nah an ihrem Leben zu liegen, um sich zu entspannen.

Riley, Crivaro und McCune schauten sich Гјberall um, sahen aber niemanden.

McCune rief: В»Hallo, ist hier jemand?В«

Ein Mann trat hinter einem der Kleiderständer hervor.

В»Kann ich Ihnen helfen?В«, fragte er.

Der Mann machte eine erstaunliche Figur. Er war groß und extrem dünn und trug ein langärmeliges T-Shirt, das so bedruckt war, dass es einem Smoking ähnelte. Er trug auch eine bekannte ›Groucho‹-Brille − die Art mit einer riesigen weißen Nase, einer schwarz umrandeten Brille, buschigen Augenbrauen und einem Schnurrbart.

Offensichtlich etwas verwirrt, nahmen Crivaro und McCune ihre Abzeichen heraus und teilten dem Mann mit, wer sie und Riley waren.

Der Mann, der völlig unbeeindruckt davon schien, vom FBI besucht zu werden, stellte sich als Danny Casal vor, der Eigentümer des Unternehmens.

В»Nennen Sie mich einfach DannyВ«, sagte er.

Riley wartete darauf, dass er die Nasenbrille abnahm. Aber als sie ihn genauer ansah, wurde ihr klar ...

Das waren verschreibungspflichtige Brillengläser.

Sie hatten auch bemerkenswert dicke Linsen. Danny Casal trug diese Brille anscheinend die ganze Zeit und ohne sie wäre er sicherlich ziemlich kurzsichtig.

McCune Г¶ffnete einen Schnellhefter.

В»Wir haben Fotos von zwei FrauenВ«, sagte er. В»Wir mГјssen wissen, ob Sie jemals eine von ihnen gesehen haben.В«

Die Augenbrauen und die gefälschte Nase und der Schnurrbart wackelten auf und ab, als Danny nickte. Er schien Riley ein zu ernster und mürrischer Mann zu sein, um ein solches Outfit zu tragen.

McCune zog ein Foto heraus und hielt es dem Ladenbesitzer hin, damit er es sich ansehen konnte.

Danny blickte durch seine Brille auf das Foto.

Er sagte: »Sie gehört nicht zu unseren Stammkunden. Ich kann nicht garantieren, dass sie nie hier im Laden war, aber ich erkenne sie nicht.«

В»Sind Sie sicher?В«, fragte McCune.

В»Ziemlich sicher.В«

В»Sagt Ihnen der Name Margo Birch etwas?В«

»Äh, vielleicht war da etwas in den Nachrichten. Ich bin mir nicht sicher.«

McCune zog ein weiteres Foto heraus. В»Was ist mit dieser Frau? Wir glauben, dass sie in Ihren Laden gekommen ist, um Fotos zu machen.В«

Auch Riley sah sich das Foto genau an. Das musste Janet Davis sein. Es war das erste Mal, dass sie ihr lebendes, unbemaltes, lächelndes Gesicht sah, fröhlich und ahnungslos ob des schrecklichen Schicksals, das sie erwartete.

В»Oh, jaВ«, sagte Casal. В»Sie war vor nicht allzu langer Zeit hier. Janet sowieso.В«

В»DavisВ«, sagte Crivaro.

»Genau«, sagte Casal mit einem Nicken. »Eine nette Dame. Sie hatte auch eine schöne Kamera – ich kenne mich ein wenig damit aus, da ich selbst gern fotografiere. Sie bot mir an, mich zu bezahlen, damit sie hier Fotos machen konnte, aber das wollte ich nicht. Ich fühlte mich geschmeichelt, dass sie meine Einrichtung für würdig hielt.«

Casal neigte den Kopf und sah seine Besucher an.

В»Aber ich nehme nicht an, dass Sie mit guten Nachrichten Гјber sie hier sindВ«, sagte er. В»Ist sie in Schwierigkeiten?В«

Crivaro sagte: В»Ich fГјrchte, sie wurde ermordet. Diese beiden Frauen wurden ermordet.В«

В»Wirklich?В«, fragte Casal. В»Wann?В«

В»Margo Birch wurde vor fГјnf Tagen tot aufgefunden. Janet Davis wurde vorgestern Abend ermordet.В«

»Oh«, sagte Casal. »Es tut mir leid, das zu hören.«

Riley bemerkte kaum eine Veränderung in seinem Tonfall oder seinem Gesichtsausdruck.

McCune Г¤nderte die Taktik. Er fragte: В»Verkaufen Sie hier Clown-KostГјme?В«

В»NatГјrlichВ«, sagte Casal. В»Warum fragen Sie?В«

McCune holte plötzlich ein weiteres Foto aus seinem Ordner. Riley keuchte fast, als sie es sah.

Es zeigte eine weitere tote Frau in einem Clown-Kostüm. Sie war auf Beton gespreizt, neben einem Müllcontainer in einer Gasse. Das Kostüm ähnelte dem, das Janet Davis, das Opfer, das heute Morgen auf dem verlassenen Gelände des Jahrmarkts gefunden wurde, getragen hatte − ein bauschiger Stoff mit riesigen Pompom-Knöpfen. Aber die Farben und Muster waren etwas anders und das Make-up auch.

Margo Birch, erkannte Riley. So wie sie gefunden wurde.

McCune fragte Casal: В»Verkaufen Sie solche KostГјme?В«

Riley bemerkte, dass Crivaro McCune böse ansah. McCune testete offensichtlich Casals Antwort auf das Foto, aber Crivaro schien seinen stumpfen Ansatz zu missbilligen.

Aber wie McCune war Riley neugierig, wie der Mann reagieren wГјrde.

Casal drehte sich um und sah Riley an. Sie konnte einfach nicht in seinem Gesicht lesen. Neben den buschigen Augenbrauen und dem Schnurrbart konnte sie nun sehen, wie dick die Linsen wirklich waren. Obwohl er sicherlich Augenkontakt mit ihr hatte, sah es nicht so aus. Durch die Linsen gebrochen, schienen seine Augen etwas nach auГџen gerichtet zu sein.

Es ist, als wГјrde er eine Maske tragen, dachte Riley.

В»Ist das Miss Davis?В«, fragte Casal Riley.

Riley schüttelte den Kopf und sagte: »Nein. Aber Janet Davis� Leiche wurde heute Morgen in einem ähnlichen Zustand gefunden.«

Immer noch ohne Г„nderung seines Tonfalles, sagte Casal zu McCune ...

В»Als Antwort auf Ihre Frage в€’ ja, wir verkaufen diese Art von KostГјmen.В«

Er führte seine Besucher zu einem langen Regal voller Clown-Kostüme. Riley war erschrocken, wie vielfältig sie waren.

Als Casal zwischen zerfetzten Jacken und ausgebeulten, zusammengeflickten Hosen stöberte, sagte er: »Wie Sie sehen können, gibt es mehrere verschiedene Arten von Clowns. Zum Beispiel gibt es hier den ›Tramp‹, der oft als Landstreicher oder Vagabund verkörpert wird, mit einem abgenutzten Hut und Schuhen, rußigem, sonnenverbranntem Gesicht, einem traurigen Stirnrunzeln und aufgemalten Bartstoppeln. Das weibliche Äquivalent ist oft eine Landstreicherin.«

Er ging weiter zu einer Gruppe von bunt gemischten KostГјmen.

»Etwas mit dem Tramp zu tun hat der ›Auguste‹, ein traditioneller europäischer Typ, eher ein Gauner als ein Vagabund, ein Untergebener und ein Lakai. Er trägt eine rote Nase und unpassende Kleidung und wechselt zwischen ungehobelter Tölpelhaftigkeit und agiler List.«

Dann ging er zu einigen Kostümen, die größtenteils weiß zu sein schienen, einige von ihnen mit Pailletten und farbigen Verzierungen. Er sagte: »Und hier haben wir das traditionelle europäische Weißgesicht, den ›Pierrot‹ − gebildet, selbstsicher, anmutig, intelligent, immer kontrolliert. Sein Make-up ist einfach − komplett weiß, mit regelmäßigen Merkmalen in Rot oder Schwarz, wie ein Pantomime, und er trägt oft einen konischen Hut. Er ist eine Autoritätsperson, oft Augustes Boss − und kein sehr netter Chef. Kein Wunder, denn viele von Augustes Witzen gehen auf seine Kosten.«

Er bewegte sich durch Dutzende von verschiedenen KostГјmen und sagte ...

»Hier haben wir hier viele verschiedene ›Charakter‹-Clowns, die auf Typen basieren, die man aus dem Alltag kennt − Polizisten, Dienstmädchen, Butler, Ärzte, Feuerwehrleute, so etwas in der Art. Aber hier ist der Typ, nach dem Sie suchen.«

Er zeigte seinen Besuchern eine Reihe von bunten KostГјmen, die Riley definitiv an die Opfer auf dem Bild und auf dem Feld erinnerten.

В»Das ist das groteske WeiГџgesichtВ«, sagte er.

Dieses Wort erregte Rileys Aufmerksamkeit.

Grotesk.

Ja, das beschrieb sicherlich, was mit Janet Davis� Körper geschehen war.

Casal fuhr mit einem der Outfits fort: »Dies ist die häufigste Art von Clown, nehme ich an, zumindest hier in Amerika. Es spiegelt keine bestimmte Art, keinen bestimmten Beruf oder Status wider. Das groteske Weißgesicht ist im Allgemeinen einfach nur clownesk aussehend, lächerlich und albern. Denken Sie an Bozo den Clown oder Ronald McDonald oder Stephen Kings ›Es‹, um ein erschreckenderes Beispiel zu nennen. Das Groteske trägt typischerweise ein ausgebeultes, farbenfrohes Kostüm, übergroße Schuhe und weißes Make-up mit übertriebenen Gesichtszügen, dazu eine riesige Perücke und eine leuchtend rote Nase.«

Crivaro schien wirklich daran interessiert zu sein, was Casal jetzt sagte.

Er fragte: В»Haben Sie in letzter Zeit eines dieser grotesken KostГјme verkauft?В«

Casal dachte fГјr einen Moment nach.

»Nicht, dass ich mich erinnere − zumindest nicht in den letzten Monaten«, sagte er. »Ich könnte unsere Quittungen durchsehen, aber das könnte eine Weile dauern.«

Crivaro Гјbergab ihm seine FBI-Visitenkarte und sagte: В»Ich wГјrde mich freuen, wenn Sie das tun und sich bei mir melden wГјrden.В«

»Das werde ich«, sagte Casal. »Aber denken Sie daran, das groteske Kostüm ist sehr verbreitet. Es könnte in jedem Kostümladen in der Stadt gekauft worden sein.«

McCune grinste ein wenig und sagte: В»Ja, aber das ist nicht irgendein KostГјmverkauf. Eines der Opfer war erst kГјrzlich hier und hat Fotos gemacht.В«

Sein Ausdruck war noch immer unergründlich. Casal steckte die Hände in die Tasche und sagte: »Ja, ich kann verstehen, warum Sie das möglicherweise beunruhigen könnte.«




Конец ознакомительного фрагмента.


Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=51922498) на ЛитРес.

Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.



Если текст книги отсутствует, перейдите по ссылке

Возможные причины отсутствия книги:
1. Книга снята с продаж по просьбе правообладателя
2. Книга ещё не поступила в продажу и пока недоступна для чтения

Навигация